buzZas Kochstudio No. 67 – Ich wollt ich wär ein (Perl-) Huhn!

Würde ich mir aussuchen können, welches Huhn ich sein wollte, ich wäre ein wildes Perlhuhn!

Die durchstreifen noch freies Territorium und freuen sich Ihres Lebens in der afrikanischen Wildnis.

Oder picken geduldig in französischer Freilandzucht.

Diese Tage wäre ich sicher eines nicht:

Ein menschlicher Flüchtling.

Was für ein Bruch.

Was hat das mit Kochen zu tun?

Ich kann das Thema Asyl leider nicht ignorieren, gerade wenn man über Delikatessen schreibt. In den Nachrichten sieht man, wie Menschen um eine bessere Zukunft kämpfen. Was sie für Strapazen dafür auf sich nehmen, welche Risiken sie aus Verzweiflung eingehen. Ich bin sicher, über Wettstreite wie das “beste Huhn” werden sich die Flüchtlinge keine Gedanken machen. Ich bin empathisch genug, dass nicht zu ignorieren. Die Bilder des toten dreijährigen Flüchtlingskindes an der türkischen Ägäis haben mich ziemlich traurig gemacht. Das ist nicht nur ein fader Beigeschmack, das ist furchtbar! Grund genug zu erwähnen, dass es vielerlei praktische Möglichkeiten gibt, die Not der Flüchtlinge zu lindern. Zum Beispiel in dieser Übersicht des Kölner Stadtanzeigers, der Seite der Stadt Köln oder in Düsseldorf. Sicher gibt es sowas auch in Eurer Nähe, viele Bürger packen das Problem an und lamentieren nicht! Es muß ja nicht gleich die Aufnahme eines Flüchtlings im eigenen Haus sein, Kleidung sortieren, Babysachen abgeben, überflüssiges Spielzeug rüberbringen, etc., es gibt unendlich viele Optionen. Ich fände es schön, wenn Ihr auch was tut. Es bleibt trotzdem genug Zeit für Euer Leben und auch für Genüsse in der Küche, die man so reuelos und ohne schlechtes Gewissen fortführen sollte. Schließlich geht es auch darum, eine Kultur hochzuhalten. Und viel Kultur ist zwar nicht der einzige Garant für eine freie Gesellschaft, aber sicher befruchtet die Kultur das Denken des Menschen und gutes Essen macht uns doch auch dankbar, für das, was wir haben.

Kommen wir also zum gestrigen Genuß, dem Perlhuhn. Perlhühner sind im Gegensatz zum Haushuhn noch Allesfresser. Insekten, Körner, Früchte – es geht alles rein! Ist etwas schwierig zu sagen, ob man Perlhühner noch zum Wild oder zum normalem Geflügel rechnen soll. Die Perlhühner im Geschäft sind ja eh aus Frankreich und aus der Zucht. Das Fleisch ist zwar hell und nach dem Braten weiß, aber einige zählen es zum rotem Fleisch. Sei es drum, es ist in jedem Falle köstlich, weil es auch einen besseren Fettgehalt an den Tag legt als das gemeine Haushuhn aus Hochleistungszucht. Das Fleisch ist fein im Geschmack und sehr saftig; die Haut dicker und deutlich fetter als beim Huhn und kann deswegen wunderbar scharf angebraten werden.

Eine ideale Gewürzkombination zum Perlhuhn ist Estragon. Diesem edlen Kraut widme ich dieses Gericht, denn es geht hauptsächlich darum, das Estragon nach vorne zu stellen und die Sosse nicht zu salzig werden zu lassen. Estragon braucht ihr für die Sosse unbedingt frisch, dann erst ergibt sich dieses zarte Anisaroma. Getrockneter Estragon schmeckt zwar auch intensiv, aber hat eben nicht diese Anisnote. Die ätherischen Öle im Kraut wirken zudem aus frischem Kraut verdauungsfördernd, was beim etwas fetten Perlhuhn gewünscht ist.

Perlhühner
Startet damit, die Perlhuhnstücke auf der Hautseite mit Öl scharf anzubraten. Wenn sich die gewünschte braune Färbung ergibt, Temperatur wegnehmen und nochmal auf der Fleischseite nachziehen lassen. Die nächsten 25 Minuten garen wir die Hühner im Ofen bei etwa 100° Grad zu Ende. Die Kerntemperatur beträgt am Schluß 70° Grad. Keine Sorge, Perlhuhn trocknet nicht schnell aus!

Fondskonzentrat
Währenddessen kümmert Euch um Beilage und die Sosse. Schneidet Knoblauch und Ingwer in die Pfanne und bratet sie kurz an. Den Bratensatz in der Pfanne mit Geflügelfonds aufkochen.

Tipp: Da ich auch nicht immer selbstgemachte Fonds vorbereitet zur Hand habe, weiche ich auf ein empfehlenswertes Convenience-Produkt aus, Fondskonzentrat von Oscar. Das gibt es im Feinkostbedarf und ist ein sehr konzentriertes Elixier, dass man sehr sparsam einsetzen sollte. Es schmeckt deutlich besser, als die Würzpasten von Knorr & Co, die jüngst auf den Markt gekommen sind. Außerdem ist das Konzentrat nicht so übersalzen. Da man wirklich nur kleine Mengen braucht, relativiert sich der Preis des Fonds auch schnell. Er spart halt viel Zeit! Ich koche also meinen Bratensatz mit Wasser auf und rühre dann das Konzentrat ein. Kurz probieren, ob das Verhältnis stimmt, nicht zuviel Konzentrat einsetzen!

Und jetzt die schwierige Entscheidung, was noch in die Sosse gehört. Klar, mehr Flüssigkeit zum Einkochen, aber welche? Vielleicht Weißwein? Vorsichtig, denn wenn der Säure hat, passt die Sosse überhaupt nicht mehr zum Estragon. Es muss also schon ein recht süsser Geselle sein, der beim Kochen noch Rückgrat behält. Bevor da was daneben geht, sage ich halt: Her mit einer Alternative! Alfons Schuhbeck kann da helfen. Er nutzte in seinem Kochbuch “Meine Küche der Gewürze” Apfelsaft und Cognac für seine Kolonialsosse. Eine feine Kombination! Der Apfelsaft bringt Süsse und Flüssigkeit zur Konzentration, der Cognac den Charakter und die feine Aromatik, die zum Estragon paßt. Also ab dafür! Beides in ordentlicher Menge hinzufügen. Kocht die Flüssigkeit auf weniger als die Hälfte ein. Knoblauch und Ingwer könnt Ihr jetzt entfernen. Jetzt kommt ein Schuss Sahne hinzu sowie das Estragon, ruhig üppig verwenden.
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Lasst die Pfanne nicht zu heiß werden und rührt die Sossen mit dem Estragon kräftig um. Wenn das Perlhuhn noch nicht fertig ist, stellt die Sosse erstmal an die Seite, bevor sie verkocht. Hat das Perlhuhn seine Kerntemperatur erreicht hat, kocht Ihr die Sosse ein letztes Mal auf. Nutzt eiskalte Butter, um die Sosse schön abzubinden. Perlhühner in die fertige Sosse legen und mit Salz und Pfeffer justieren. Ein wenig Zitronenzeste drauf gerieben, wenn die Sosse zu schwer wirkt (nur nicht zuviel!). Dann anrichten und servieren.
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Als Beilage habe ich die klassische Variante mit Röstkartoffeln und Möhren gewählt. Kann auch Blumenkohl, Spinat oder Kohlrabi sein, ganz nach gusto.
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Eine klassische Sossenbereitung, die etwas Geschick benötigt. Ich bin selber auch nicht gerade ein Meister in Sossen und suche gerade einen guten Kurs zum Thema. Gerade bei Sossen scheinen mir die besten Kochbücher nicht so dienlich zu sein, wie eine Vorführung von einem geübten Meister. Wenn jemand einen Tipp hat, wo es im Rheinland gute Kurse gibt, nur her damit!

Ich hoffe, das Gericht kommt bei Euren Liebsten gut an. Heidi mochte das Hühnchen ausserordentlich gerne, für den Papa der größte Erfolg! Ich wünschte mir, auch Flüchtlingskinder hätten soviel zu lachen wie meine Tochter.
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