Ende der Unschuld

Ich habe Selbstmord vollzogen. Gestern. Virtuellen Selbstmord, denn ich habe meine selbst geschaffenen Identitäten aus den sozialen Netzwerken gelöscht. Goodbye Facebook, fuck off WhatsApp, go home Instagram! Der Slogan lautet “Wir verbinden die ganze Welt!” – aber wer will schon mit Schizophrenen, Trollen, bösartigen Zynikern und Paranoiden dauernd verbunden sein? Nein, niemand will mit der ganzen Welt verbunden sein.

Es war sicher keine Affekthandlung. Ich tat es mit viel Wut im Bauch, die sich monatelang, wenn nicht schon Jahre lang aufgestaut hatte. Ich habe nur selbst lange nicht verstanden, dass ein Großteil der Wut und der negativen Emotionen, die in mir brodelten, von sozialen Netzwerken massiv verstärkt und größtenteils auch überhaupt erst erzeugt wurden. Deswegen möchte ich mir mal die Mühe machen und die Geschichte meines Weges ins Internet nachzeichnen. Es ist eine schon über 20 Jahre lange Geschichte, ein Furz in der geologischen Zeitgeschichte, aber deswegen bedeutsam, weil sie auch illustriert, was Jaron Lanier in seinem Buch “10 Gründe warum Du deine so sozialen Medien Accounts sofort löschen mußt” androht: “Wenn wir unsere Konten bald nicht löschen, droht uns nichts anderes als die Selbstauslöschung der menschlichen Spezies”. Denn das ganze macht und mehr oder weniger wortwörtlich “verrückt”. Es ist nur sehr schwer dass zu glauben und zu akzeptieren, wenn Du selbst süchtig danach bist. Und nahezu jeder der ein Smartphone hat, ist massiv danach süchtig. Die Internetsucht wäre nicht mal ansatzweise so erdrückend, Newsjunkies würden nicht annähernd so oft clicken, wenn nicht soziale Konsequenzen damit verbunden würden. Und dieser Selbstbetrug findet eben in den sozialen Medien statt. Dazu zählt natürlich alles im Facebook Imperium (Facebook, WhatsApp, Instagram), Google (YouTube, vormals noch Google+, AdWords Algorithmen und Tracker), Snapchat, Musica.ly, Vimeo, Twitter und ein paar Derivate mit eher beruflichem Kontext (LinkedIn, Xing, Yelp, etc.). Betrachten wir Google und Facebook alleine, haben wir aber schon 90% der sozialen Netzwerke erfaßt. Und sich aus dieser Krake zu befreien, ist sogar praktisch gar nicht mal so leicht.

Rein technisch war das einfach. Während die Löschung von WhatsApp noch in Minuten zu bewerkstelligen war (Mitteilung an meine wichtigen Kontakte, wo ich nun alternativ erreichbar bin, dann das Archiv vom Smartphone aus gelöscht und das Konto auf dem Server gelöscht), war die Löschung sämtlicher Facebook-Daten aufwendig. Und sich aus dem Netzwerk der sogenannten Freunde zu befreien (Network-Lockin Effekt). Theoretisch hat Metcalfes ja schon diesen Netzwerk Effekt beschrieben, der es so schwer macht zu entkommen: Der Nutzen eines Netzwerks steigt exponential, wenn ein weiterer Freund (Knoten) in unserem Netzwerk hinzukommt. Netzwerke dieser Art haben also einen Drang zur Monopolisierung, es gibt eigentlich privat nur einen Messenger (WhatsApp in Deutschland, Facebook Messenger in den USA) und nur ein echtes soziales Netzwerk (Facebook & Instagram sind technisch als ein Produkt zu sehen). Herauszugehen aus einem dieser Netzwerke heißt also, nicht mehr auf diese einfache und komfortable Art und Weise Nachrichten zu teilen. Zwar ist die SMS heute schon aufgebohrt (bspw. als iMessage) in der Lage, Bilder zu teilen, Videos und dies auch in Gruppen, dennoch hat sich WhatsApp als OS-übergreifende Variante von der Mehrheit der Nutzer (Android) auf alle Systeme hin verbreitet. Die Ausnahme China ist letztlich durch den politischen Druck zur Kontrolle und Zensur bedingt, ansonsten haben die chinesischen Varianten die gleichen Systeme kopiert und teils auch noch weiter ausgebaut in seiner Funktionalität als die westlichen Originale aus dem Silicon Valley.

Facebook klebte wie Kleister, es war sehr schwer zu entsorgen. Erstmal konnte ich selbst kaum davon lassen. Kaum hatte ich mich über eine Nachricht geärgert, wollte ich ein Netzwerk daran teilhaben lassen. Ich habe gar nicht darüber nachgedacht, dass ich meine “Freunde” mal wieder mit “Bad News” oder manchmal unschuldig mit “Fake News” belastete, in Facebook wurde der Dreck, die Eitelkeit gerne sofort geteilt. Ok, es waren auch freudige Ereignisse wie die Geburt der eigenen Kinder dabei – aber das war natürlich ein stark gestelltes Foto, eine Pressemitteilung in eigener Sache. Ich wußte, ich war abhängig, dass war mir schon lange klar (sagen wir mal so 2-3 Jahre). Monate vorher hatte ich wieder und wieder das Konto versuchsweise deaktiviert, nur um festzustellen, dass ein unvorsichtiger Klick das Konto mit allen Daten direkt wieder aktivierte. Ich wollte weg, war wieder da. Wie ein Raucher, der bei der Entwöhnung rückfällig wird. Oder ein Alkoholiker. Es waren überwiegend die negativen Dinge, die mich wieder in Kontext zu den sozialen Netzen setzte. Wie ein süchtiger eben auch: Spielsüchtige werden ja nicht vom Gewinnen abhängig, das Verlieren ist ausgerechnet dass, was sie abhängig macht. Heroinsüchtige sind nicht vom Kick abhängig, der Schmerz und die Leere die sich einstellt, wenn kein Rausch mehr da ist, dass macht abhängig. Und natürlich war ich von meinen “Freunden” abhängig, von Ihren Likes, von Ihren zustimmenden Kommentaren. Oder ich war aggressiv und wollte bspw. einem Politiker oder Prominenten mitteilen, wie verwerflich ich ihn finde (Donald Trump hat vermutlich nicht alles davon gelesen).

Überall habe ich dabei Spuren meiner kleinen oder größeren Wutanfälle hinterlassen, Accounts jedes mal wieder neu eröffnet. Im schlimmsten Falle war ich sogar besoffen bei der Nutzung und ich habe mich schon oft gefragt, wieviele Nutzer denn wohl im Rausch Ihre Wut niederschreiben, von der sich die anderen dann kaum befreien können – man liest es ja erstmal doch. Meine frühere Hypothese war ja, dass die besondere Gefahr bei offenen Debatten darin besteht, dass wir die geistige Zurechnungsfähigkeit der anderen Nutzer ja erstmal nicht kennen. Es steht halt nicht dran, ob ich in einer Debatte mit einem klinisch-schizophrenen, schwachsinnigen, bösen oder netten Dummkopf bin. So konnte ich vielen sehr rationalen, klugen und moralisch gefestigten Menschen dabei zusehen, wie sie sich in Debatten mit diesen gern “Trollen” genannten Nutzern aufrieben. Und wie es sie sogar krank machte. Die besonders abhängigen User sind diejenigen, die sich nicht nur laufend exponieren, sondern die eine Followerbreite jenseits der 500-1000 User haben. Es entsteht unterbewußt sowas wie eine Fanbase, die man glaubt füttern zu müssen. Die man “führen” müsse im Denken. Oder deren Zustimmung das eigene, labile Selbstwertgefühl stützt, eine Einsamkeit übertüncht. Es hat nichts mit den Beziehungen zu tun, die wir im klinischen Sinne als normal bezeichnen würden, denn natürlich ist der digitale Kontakt eine Reduktion menschlicher Beziehungen. Sie wird wohl auch auf etwas reduziert, was animalisch ist: Lust verbreitet sich ebenso schnell wie Hass.

Die Löschung wurde zu echter Arbeit. Weil ich mir bestimmter Dinge nicht sicher war, ob Sie nicht in den Konten anderer Nutzer weiterhin sichtbar sein könnten, löschte ich händisch viele Beiträge und die privaten Fotos, vor allem die meiner Kinder und meiner Frau, versuchte fast schon hektisch Spuren zu verwischen, die mir irgendwann mal gefährlich werden könnten oder gar den Unschuldigen, die Ihre Daten dank meiner Schuld und Datensammelwut preisgegeben haben. Selbiges tat ich schon vor Jahren bei Google, dessen allumfassender Würgegriff unheimlich schwer zu lösen ist. Ich hatte ein Blog, das mußte neu in WordPress kopiert werden und das Archiv bei Google zu löschen war ein formeller Akt. Meine Webseite mußte ich modernisieren, zahlreiche andere Dienste wurden stillgelegt, auch diejenigen, die meine Besucher überwachten. Ich hatte nicht nur von der Überwachung die Schnauze voll, ich kam mir vor wie ein Nikotinabhängiger, der wütend Entzugserscheinungen überstehen mußte und seine Klickimpulse, die ihn sonst sicher aus dem Moment des Nichtstuns wieder in das Reich der Dopaminklicks brachte, wieder in den Griff kriegen. Dabei war ich mal frei und unabhängig, zumindest im Internet. Ich war Herr meiner Daten. In großen Teilen bestimmte nur ich, wer ich war und was ich konnte. Die Verführungen aber waren zu groß, die Einfachheit und die Bereitschaft vieler anderer auf diesen Services wie Facebook Daten zu teilen, die sonst dazu technisch gar nicht in der Lage waren, haben mich mürbe und schwach gemacht. Wie viele Nutzer und bin in einen Sog geraten. Einen Sog aus Hass, Verschwörungstheorien, Unfug, Überwachung, Missgunst, Neid und nah am Verrat des eigenen Selbst. Die Selbststilisierung drohte aberwitzig weit entfernt zu sein von dem, der ich doch eigentlich bin. Und weil ich mir darüber mittlerweile mit über 40 Lebensjahren nun doch recht sicher bin, war ich entsetzt darüber, was passiert war. Wie konnte es nur soweit kommen?


1995: Die ersten Webseiten im Netscape Broswer – heute lächerlich, damals fazinierend

Meine Genese im Internet ist ja gar nicht so lange her: 1994 hatte ich es endlich geschafft, mir ein Modem für einen Windows 95 PC zu leisten. Vorher hämmerte ich auf dem Plus 4 und dem C64 vor allem Spiele, das war alles begrenzt vor allem durch meine knappen finanziellen Mittel als Schüler. Zugangsdienste wie AOL kosteten monatlich Geld, woher nehmen wenn nicht stehlen? Das selbst erarbeitete Geld reichte dafür erst, als ich Zivi wurde. Das Modem knackte und rauschte, dümpelte mit 14 Kbit rum (oft nicht mal 2 Kilobit) und der Netscape Navigator sah in seiner Benutzeroberfläche unheimlich spannend aus. Alles, was es vorher gab (zum Beispiel das monochrome BTX) war eigentlich lahm und nicht der Rede wert, niemand erstellte dort Inhalte, kaum einer konnte sich das leisten. Anfangs brauchte ich noch etwas Hilfe, suchte Portale wie AOL oder Yahoo auf, um mich zurechtzufinden im immer umfangreicheren Netz. Ich erlebte auf AOL die ersten Chats, teils taten sich schon damals gewaltige Untiefen auf. Ich vermute mal, die Partnersuche ist sicher in dem Alter das Thema Nr. 1 und natürlich bin auch ich irrgelichtert, traf im Chat eine Frau, die mir Aufmerksamkeit und Zuwendung zuteil werden ließ. Eine merkwürdige Angelegenheit, doch ich war damals, als ich von zu Hause weit weg zog, wirklich allein, es dauerte eben, bis sich neue (echte) Beziehungen ergaben. Was schon damals erstaunte war die Bereitschaft aller Nutzer, sehr zügig intime, um nicht zu sagen allzu intime Dinge zu verbreiten. Die Hosen runterzulassen, obwohl immer die Gefahr bestand, dass der andere Nutzer dies missbrauchen könnte oder einer mitlas. Auch war ich ja nie sicher, ob der andere Nutzer überhaupt eine Frau war – natürlich hätte man mich auch manipulieren können, ein attraktives Nutzerfoto hätte gereicht. Irgendwann gestand mir die fremde Frau aus Braunschweig, dass sie alleine sei mit einem Kind, sie sandte mir auch ein Foto und ich war gelinde gesagt schockiert, dass ich schon derart intime Beziehungen mit einer fremden Frau hatte, die mich im wahren Leben vermutlich nicht lange für meine Partnerwahl in Frage gekommen wäre. Wie also da raus kommen? Ich zog einfach den Stecker, das digitale Schlussmachen ist eben furchtbar leicht, die Verletzung hätte ich niemals einer echten Person so empathielos zufügen können – so jemand war ich nicht, jedenfalls im persönlichen Umgang.

An der Uni gab es dann eine echte eigene e-mail Adresse, Zugang zu FTP Servern und eigenem echten Webspace. Der erste Internetboom war in vollem Gange, auch wenn noch keiner wußte, wie man damit überhaupt wirklich Geld verdienen sollte. Heute fast schon niedliche Jobs wie Webdesigner waren damals heiße Jobs, es gab Menschen die davon sprachen, dass jeder mal eine Webseite haben würde. Webdesign-Agenturen wurden wie Konzerne a la Siemens behandelt, dort wurde der Mehrwert Zukunft geschaffen. Natürlich mußte man erstmal einen Weg finden, sich das zugänglich zu machen. Wir rätselten rum, wie das eigentlich so geht, das Internet. Dazu mußten wir erstmal etwas lernen, was im deutschen Schul- und Hochschulsystem eigentlich nicht vorgesehen war: Selbständig Dinge lernen und sich beibringen, ohne Curriculum. Und das Material dazu selbst finden, denn in Bibliotheken gab es dass überhaupt nicht. Was anfangs wie Geheimwissenschaften aussah, entpuppte sich zumindest oberflächlich als kleiner Zauber. Eine Webseite zu erstellen war ziemlich schnell sehr einfach, ich brachte eine eigene Webseite zu stande und noch heute war für mich eigentlich die größere und wichtige Frage, was ich denn da überhaupt zeigen sollte. Ich war ja niemand, ein unbeschriebenes Blatt. Ich hatte auch kein Geschäft zu bewerben, also erfand ich was. Eine Webseite mit meinen Hobbies, mit Fotos der letzten Gelage, das wäre nicht nur langweilig gewesen, das stiftete keinen Mehrwert und war auch keine Herausforderung. Ich erfand so eine Art virtuelles Ich, eine komische Version von Internetpräsenz namens WhoIsBuzZman? Ich dachte mir schönen Quatsch aus, stellte mich als Giganten dar, der mit Traumfrauen Affären hatte, manipulierte an meinen Fotos rum. Bildcollagen einfachen Stils in Photoshop zu machen lernte ich auch, danach konnte man absurden Quatsch gestalten, dessen Unterhaltungswert zumindest einiges höher war als der Nutzwert. Ein paar Jahre später, das Netz war erwachsener geworden, die Designs ausgefeilter, startete ich eine neue Webseite. Um ehrlich zu sein, ich wollte einfach nur keine peinliche Webseite haben, sie sollte zumindest visuell anspruchsvoll sein. Eine Datenbankabfrage oder sonstiges herzustellen hatte ich in der Theorie gelernt, aber sinnvolle Daten hatte ich eh nicht anzubieten, also hab ich mich damit auch nicht weiter rumgeschlagen. Programmierung lernte ich nur oberflächlich, denn im Grunde war mir das ganze Thema mehr und mehr zuwider, je tiefer ich kam. Schon VBA Macros fand ich ähnlich spannend wie Termumbau in Algebra, es war absolut kein Feld, was mich faszinierte. Eher eine künstlerischer Umgang mit Identität oder sowas, so eine Art Katalog von sich selbst. Aber egal was ich machte, es gehörte einfach nur mir und ob sich dafür jemand interessierte, war relativ unbedeutsam. Ich rief relativ selten mal Statistiken ab, da war ich immer wieder erstaunt, dass es dann doch viele hundert Zugriffe am Tag gab. Aber ob dass nun Spam oder ein Roboter war oder eben ein interessierter Nutzer, diese Art von Tiefenwissen über seine Nutzer wurde erst später, hauptsächlich von Google, erfunden. 1998 war übrigens Google eine coole Sache, ich gab damals vielen Nutzern, die noch in Katalogen wie Yahoo oder Metasuchmaschinen wie MetaGer ihre Seiten suchten diese coole Startup, dessen Trefferwahrscheinlichkeit bestimmter Seiten einfach verblüffend war.


1997: Meine erste Webseite, dargestellt mit Internet Explorer 1.0 von Microsoft, der einzigen Netscape Konkurrenz

Noch heute ist die Suchmaschine Googles bestes Produkt, auch die Datenbank Maps hat einen unschlagbaren Nutzwert. Als man sich dann langsam einige T-Online Accounts suchten, fand ich meine Migration von einer eigenen e-mail Adresse mit begrenztem Speicher zu Google noch recht cool. Irgendwann um diesen Zeitpunkt herum kam aber das erste Mißtrauen auf, dass die nicht ohne Grund kostenlos sein würde. Während die Uni die Kosten trug oder aber ich selbst meinen Webspace hosten mußte, kostete Google nichts. Eine Verführung, deren Geschäftsmodell irgendwas mit Daten zu tun haben würde. Ich war lange Jahre ziemlich treu in dem Glauben, dass Google oder ein anderer Konzern vielleicht gehackt werden könnte, aber doch nie seine Nutzerdaten missbrauchen würde. Meine Überlegung war, dass wenn dieses Vertrauen einmal angegriffen würde, die Firma sich aus dem Internet schnell verabschieden würde. Meine Annahme war leider etwas naiv, ich habe sie nur auf mich selbst bezogen: Wenn ich mal selber Opfer werden würde, wie aggressiv würde mich das machen, niemals würde ich diesen Dienst mehr nutzen! Das Gros der Nutzer sind heute aber nicht mehr die Pioniere (so fühlten wir uns damals, schon goldig), es sind die Nutzer, bei denen die einfache Anwendung, der Komfort oder das Gesetz der Masse (da wo alle sind, da bin ich auch, denn der Nutzen ist für mich dort maximal) immer zu siegen scheint. Es geht ja so schnell, so einfach, so leicht. Ich hatte mir mit Arbeit eigentlich Freiheit im Netz erkauft, ich konnte darstellen was ich wollte, ich kam nur nie auf die Idee, private Fotos zu teilen. Zwischendurch gab es MySpace, da befand ich mich im Abgang von meiner Uni und eigentlich waren das für mich Webseiten für die Penner und arme Musiker, die keine eigene Seite hinbrachten. MySpace sah auch derart chaotisch aus, dass alleine die Idee dort Inhalte zu teilen für mich peinlich gewesen wäre. Was ich sicher unterschätzte war schon damals die Motivation, Informationen und Fotos mit Freunden und Bekannten über Landesgrenzen hinweg zu teilen. Da fing auch die personalisierte Seite mit echten Informationen irgendwann Sinn zu machen. Aber wie um Himmels Willen sollte ich das abschirmen vor Arbeitgebern, Regierungen oder Menschen, die mir nicht so wohl gesonnen waren? Das hielt jeden mit Hirn zumindest davon ab. Geschützte Seiten mit Passwort waren ein Behelf, letztlich gab es Alternativen wie eben Google, um dort temporär Fotos hochzuladen, deren Zugang man schützen konnte – echt kinderleicht, alles umsonst. Ich glaube, dann kam Skype hoch und Bildschirmtelefonie wurde Wirklichkeit, noch heute sehe ich darin die vielleicht letzte ganz große Innovation des Internet in den letzten Jahren, auch wenn die Idee dazu schon seit Kubricks 2001 jedes Kind kannte. Bildschirmtelefonie kannte keinen Speicher, die Bilder, die temporär bei Google lagen, löschte ich wieder. Warum? Damit der Webspace nicht knapp wird und auch, damit keiner Schindluder damit treibt. Niemand wäre auch je auf die Idee gekommen, dafür seine Rechte an Google an den Bildern wirklich abzutreten. Man hatte einen Packet mit jemand, dem man nicht zu 100% trauen konnte. Die Metadaten, wer mit mit mir bekannt ist, waren aus meiner damaligen Sicht relativ uninteressant. Dachte ich. Wer kommt schon auf die Idee, Opfer staatlicher MassenüÜberwachung damit zu werden?

Irgendwann 2007 wurde ein Dienst namens Evernote gehacked. Ich hatte den Dienst wenig genutzt, aber meine Kreditkarte hinterlegt. Als ich vom dem “Breach” erfuhrt, wurde ich panisch. Ich löschte Inhalte, änderte Passwörter, vor allem beim Banking, ganz ganz flott wußte ich, dass ein großer Datenhack Kontrollverlust und Machtlosigkeit ungeahnten Ausmaßes erzeugen würde. Wer lässt sich schon gerne beklauen? Im Netz konnte der Diebstahl aber sehr groß ausfallen, vielleicht das ganze Barvermögen betreffen, Schulden und Bankrott bedeuten. Und die nächste, für jeden vielleicht noch größere Stufe: Der totale Ehrverlust. Menschen mögen Angst vorm Bankrott haben, aber sein Gesicht über den engsten Freunden und Bekannten zu verlieren, vor potentiellen oder aktuellen Arbeitgebern, das macht einen geradezu verrückt vor Angst. Ehrverlust ist etwas, dass Menschen in den Selbstmord treiben kann. Es ist überhaupt kein Spaß seine Hose runterzulassen, soviel ist sicher. Wer kann schon für sich selbst sicher sagen, niemals Content gesehen oder wenn auch nur versehentlich genutzt zu haben, der einem unsäglich peinlich wäre, wenn andere davon erführen. Wenn man all das im Kopf hat, ist es fast verrückt, dass wir alle nahezu ohne Ausnahmen uns irgendwann in die Hände von Mark Zuckerberg begaben. Wer den Film “The Social Network” gesehen hat, der erinnert sich sicher daran, wie Zuckerberg in Harvard mal eine erste Seite erstellte, wo die User abstimmen konnten: “Hot or Not?” Es wurden beliebig Bilder von Studentinnen angezeigt, die man bewerten konnte, ohne deren Einwilligung. Es war sexistisch und es war ein Angriff auf die persönlichen Daten und die Freiheit der Selbstbestimmung. Es war ein Angriff auf die Würde des Menschen, auch wenn es damals noch als studentischer Streich zu bewerten sein würde. Daraus wurde dann wie wir alle heute wissen, irgendwann sowas wie “Harvard Club” oder “TheFacebook.com”. Ich erinnere mich noch genau, dass irgendwann 2008 mein schwedischer Kollege vor seinem Rechner sass und ich fragte, was er denn da immer wieder tue auf dieser blauen Seite: “Oh man” sagte er “that’s Facebook, everyone in Sweden is crazy about it and it’s highly addictive”. Wie abhängig Facebook machte, wurde mir erst viel später bewußt. Facebook hatte das soziale Netzwerk richtig gemacht. Statt gruselige Designs und krudes UI zu haben wie MySpace oder die Facebook Kopie Studi VZ. Facebook war cool, war optisch neutral für die Selbstdarstellung, hatte ein relativ gutes UI und wurde extrem schnell populär. Und so wurden die Personen, die ich kannte immer zahlreicher als auch deren Fotos, die ich sonst wohl nie gesehen hätte. Zu dem Zeitpunkt sah ich nur den Mehrwert: Wir teilten Daten, wir konnten uns über Grenzen hinweg schnell und praktisch austauschen. Ich sah die Menschen, deren Lebenswege sich von meinem längst getrennt hatten, wieder. Ich lernte sogar ein paar neue Menschen kennen, d.h. erst virtuell und dann real. Das war fast verrückt. Aber Menschlich. Dazu kamen mehr und mehr Bekannte, die sich auf Facebook “Freunde” nannten. Mir gefiel diese amerikanische Art und Weise, aus jedem entfernten Bekannten einen Freund zu machen, nicht. Und nur weil jemand bspw. prominent war und ich jetzt sein “Friend”, war ich ihm nicht bekannt. Mich störte es aber nicht derart wie viele meiner Freunde, die darin einen kulturellen Angriff sahen und auch eine Offenlegung von Daten, die sie für gefährlich hielten. Stärker verurteilten sie mich aber für die dort existierende Selbstdarstellung, die ein Branding, ein Marketing seiner Selbst initiierte. Es wurde wichtiger, was geteilt wurde, mit wem und wie man dabei aussah. Es wurde mehr und mehr nur noch ein Ausschnitt des Lebens, dass man für mitteilenswert hielt. Ich konnte all das tolerieren, ich sah den Nutzwert und hielt ihn für höher. Besonders gefiel mir, dass ich politisch diskutieren konnte. Ich war schon immer politisch am Zeitgeschehen hoch interessiert, aber es war selten jemand da (außer meiner Mutter), die darüber mit einem debattieren wollte. Politik war etwas Schmutziges, man sprach darüber besser nicht, denn was man da hörte, konnte einen entfremden voneinander. Auf Facebook konnte ich aber nicht nur zeitnah debattieren. Ich traf politisch gleichdenkende, mit denen ich auch kritisch sein konnte. Auf dem Sofa schaute ich politisches Fernsehen, bspw. Frühschoppen oder Anne Will und konnte zeitgleich mit “Freunden” debattieren. Ich hielt das für einen großen Gewinn.


Totale Überwachungsarchitektur: Edward Snowden ließ der NSA 2013 die Hosen runter

All dass ist jetzt vorbei. All das war eine Momentbetrachtung, die heute anders ausfällt. Ausfallen muß. Wir sind erwachsen geworden im Netz. Denn 2013 kam Edward Snowden. Und der hat uns mal gezeigt, was hinter den Kulissen tatsächlich alles möglich ist und was passiert war. In den Tagen nach der Bekanntmachung war ich völlig erregt, auch verängstigt – als im Netz besonders aktiver Nutzer war ich also massiv überwacht worden. Profile würde es über mich geben, nicht nur meines Kaufverhaltens mit Amazon, meines ganzen persönlichen Beziehungsnetzwerks. Und ich hatte alle Daten, die ich über andere gesammelt hatte, ohne es zu wissen selbst verraten. Mein Adressbuch hatte Facebook nicht nur ausgelesen, es hatte damit auch die Daten von Menschen, die mit Facebook nie etwas zu tun hatten und nie tun wollten. In den Wochen danach begann meine private Aufrüstung: Eine Sicherheitsarchitektur mußte her. Echte kryptische Passwörter, die nur mit extrem hohen Aufwand zu knacken wären – vielleicht für die NSA, aber sicher nicht für chinesische Cyber-Kriminelle. Die Festplatte verschlüsselt, das WiFi geschützt, mehrstufige Sicherheitsebenen eingezogen. Ich lernte auch meine e-mails zu verschlüsseln. Bis heute gibt es aber nur eine Person, die ich persönlich kenne, die dazu ebenfalls in der Lage ist. Der Rest läuft weiterhin ohne Schutz ins Datenpuff und alleine um hier und da Kontakt zu halten, wird man bei Ihnen mit reingezogen in die Welt der Überwachung und des Mißbrauchs. Gottlob sind wir noch nicht soweit, dass man für bestimmte Dienste eine Netzidentität braucht, die man nur dort verifizieren kann. Sagen wir mal, dass wir nur bei XYZ Kunde werden können, wenn wir bei Facebook oder Google Kunde sind. Ausschließen kann ich das nicht. Im gewerblichen Umfeld ist es nahezu unmöglich, um Google einen Bogen zu machen. Und Werbeaktivitäten haben sich derart massiv auf das soziale Netz verlagert, dass man ohne Facebook oder Instagram im Punkto Marketing schwer wettbewerbsfähig ist. pervers ist allerdings die Strategie: Die Nutzer dieser Dienste sind mental abhängig. Wie Nikotinsüchtige brauchen Sie immer wieder Updates, genauso wie ein Raucher es nicht lange er trägt den Pausen keine Zigarette zu haben, brauchen Sie neue Postings. Was sie innerlich aufwühlt, was sie erregt, sie posten so schnell wie ein Raucher zur Zigarette greift.

Die Folgen der Sucht können dramatisch sein: Während einer dieser politischen Debatten lernte ich eine junge Frau kennen, die offensichtlich sehr ernsthaft politisch dachte. Und sehr schnell so wie ich abhängig von Facebook war. Sie suchte den Kontakt zu Journalisten und Raaf diese dann auch persönlich, die crème de la crème der deutschen Journaille. Das erklärte konservative hatte sie relativ früh ein Lieblingsthema, die Kritik am Ausstieg der AfD und der Fahrrad konservativer und christlicher ideale bei den Rechtspopulisten. Ihre Freundeszahl stieg auf fast 5000, mehree komplexe Postings am Tag mit aufreibenden langen Diskussionen, manchmal 200 Kommentare auf ein Posting die sich auch alle Konterte. vorbei veränderte sich aber auch ihr denken, die Polarisierung nahm zu. Zunehmend ging es um Loyalitäten, persönliche Angriffe auf sie Nahmen zu, Trolle hatten sie im Visier. nach und nach schieben dass leider auf sie abzufärben. Ich habe versucht persönliche Integrität in diesen Debatten zu behalten und habe ihr in einer Debatte, bei der sie eine Art von Online-Pranger zum verirrten Matthias Matussek inszenierte, gesagt das sie ihre eigenen Ideale verraten würde. Sie War eigentlich die Rechtstreue in Person, statt jedoch souverän zu bleiben drohte sie mir mit persönlichen Nachrichten mich Entfreunden. Das passierte zu einem anderen Anlass hin erneut. Ich sah sie nach längerer Zeit mal wieder persönlich und war erschrocken wie er das alles zusetzte, Sie machte den Eindruck eines schwer Suchtkranken, der in den krankhaft bösen Diskussion auf Facebook ihre körperliche Gesundheit massiv vernachlässigt hatte. Als die Zustimmung zu den tollen Anstieg und auch die AfD die Parlamente besetzte, Die sie so bitter bekämpfte, Verlagerte sich ihr ganzes Leben darauf, publizierte, vor allem aber machte sie sich in den sozialen Medien so präsent wie kaum jemand, den ich kannte; kaum ein prominenter mit Ausnahme von Boris Palmer oder gar Donald Trump schien mir stärker von den sozialen medien beeinflusst. Ich habe keine engen Bekannten die im Teenageralter sind und Erwachsen werden mit dem ästhetischen Terror von Instagram begleiten müssen. am Rande erwähne ich nur das es Studien gibt, die nachweisen, dass die Selbstmordrate von Teenagern massiv steigt die soziale Medien nutzen.

wenn Unternehmen unter diesen Gesichtspunkten viel Geld in Google oder Facebook pumpen, dann sollten wir ihr Handeln anders bewerten: sie versuchen nicht nur durch Werbung zu manipulieren will sie das auch sonst schon getan haben. Sie nutzen mental und psychisch abhängige Nutzer von sozialen Medien, die sich von der Nutzung des Mediums nicht distanzieren können und entsprechend auch von den werblichen innehalten massiver manipuliert werden als das früher in Zeiten des Fernsehers auch nur ansatzweise denkbar war. Der Algorithmus optimiert sich laufend selbst. Will die Aufmerksamkeit Und Verweildauer laufend erhöhen, die wir mit den Sozialen medien zubringen. wir erinnern uns doch alle mal gelernt zu haben das negative Schlagzeilen in Zeitung stärker funktionieren und uns besser erreichen als gute Nachrichten. Den gleichen Mechanismus nutzen natürlich auch soziale Medien, verhaltenspsychologisch optimiert der Algorithmus sogar lernend die Art und die Frequenz von negativen Nachrichten, die uns noch mehr erregen. Das kann er natürlich tun weil er uns fortlaufend analysiert, unsere Verhalten in der Nutzung der Dienste ist vollkommen transparent für den Anbieter – Natürlich aber nicht für die Nutzer. Sie befinden sich in einem riesigen Labor und wissen gar nicht das in ihrem Kopf gearbeitet wird. Es mag wie eine furchtbare Verschwörungstheorie klingen oder gar schizophren, nur leider ist das alles empirisch belegbar wie zum Beispiel Jaron LAN j natürlich aber nicht für die Nutzer. Sie befinden sich in einem riesigen Labor und wissen gar nicht dass in ihrem Kopf gearbeitet wird. Es mag wie eine furchtbare Verschwörungstheorie klingen oder gar schizophren, nur leider ist das alles empirisch belegbar wie zum Beispiel Jaron Lanier in seinem jüngsten Buch oder Apple Chef Tim Cook argumentieren und belegen können.

Der Unterschied gewerblicher zu privaten Nutzern ist dennoch gewaltig, Wir müssen sie auch anders behandeln und anders schützen: Eine Firma als juristische Person kann sich zwar auch blamieren, aber sie kann sich anders wehren. Sie ist eine Gruppe, eine Organisation. Als solches hat sie in der Regel mehr Möglichkeiten. Eine Privatperson hat es ungleich schwerer – sie ist auf einen Staat angewiesen, für den das Internet aber noch Neuland ist. Der Staat hinkt derart stark hinterher, gerade weil das Internet grenzenlos ist und seine Wirkung erst jetzt politisch sichtbar wird. Was unseren Blick darauf lenkt, wo wir heute stehen. Im Alptraum. In der Zeit des Donald J. Trump, des Brexit und der AfD wie vieler anderer populistischer Parteien, die die Welt mit Ihrer Propaganda und Ihren Verschwörungstheorien bespielen. Ungefiltert, begrenzt durch die Höhe des persönlichen Budgets, aber sonst grenzenlos und mit massiv verstärkender Tendenz. Nichts wird dermaßen gut gestreut und verstärkt wie die Wut im Netz. Auch Neid oder Missgunst verbreitet sich hier schnell, doch das benutzen manche Menschen für Ihre persönlichen Interessen. Sich als attraktive Person während der Partnersuche darzustellen, kann man niemanden ernsthaft verübeln. Auch die Lüge nicht, oder die Erfindung falscher Tatsachen. All das ist typisch menschlich, der moderne Mensch kämpfte schon vor dem sozialen Medien mit Unglück, Existenzfragen, versuchte durch Kompensationen wie Konsum oder Pornographie seine Leere, seine Einsamkeit oder sein Unglück zu belügen, zumindest für einen kurzen Moment. Wer all das weiß und all das ausnutzt um Umsatz und Gewinn zu optimieren, der agiert kriminell. Doch auch wenn das unser rechts empfinden sein mag, noch gibt es diese regulierenden Gesetze nicht und deswegen ist alles nach wie vor legal was Facebook betreibt. Google tut alles um Regulierung hinter den Kulissen zu verhindern, die Menschen selbst müssen es schaffen ihre Regierung zur Regulierung hin zu bewegen. doch auch wenn das unser Rechtsempfinden sein mag, was gibt es diese regulieren den Gesetze nicht und deswegen ist alles nach wie vor legal was Facebook betreibt. Google tut alles um Regulierung hinter den Kulissen zu verhindern, die Menschen selbst müssen es schaffen ihre Regierung zur Regulierung hin zu bewegen.


Überwachung und Manipulation 2016: Selbst Zuckerberg ist schizophren geworden und überklebt seine Webcam auf dem eigenen Notebook

Facebook ist kein Netz der Freunde mehr. Facebook ist eine Kloake. Ein PR-Katalog. Ein Manipulationsinstrument. Ein Zerstörer unserer offenen, freien Gesellschaft. Facebook macht abhängig. Facebook macht unglücklich. Facebook macht nervös, unruhig und erzeugt Angst. Facebook macht das Schlechte im Menschen besonders Groß. Das war vielleicht in der Form ein Unfall, unbeabsichtigt, naiv konstruiert. Heute ist es keiner mehr, die Personen stehen in Verantwortung für dass, was sie da in die Welt gesetzt haben. Trump, Brexit, AfD, ich wüßte nicht eine populistische Bewegung, die nicht massiv vom Mißbrauch von Facebook profitiert hätte. Oder anders gesagt: Vieles in der Welt wäre uns erspart geblieben, wenn sich Hass, Verschwörungstheorien, Dummheit oder Selbstüberschätzung sich nicht derartig gut mit Facebook verbreiten würde. Zeitungen, Bücher, für alles an Publikationen gibt es Regulierung. Medienaufsichten. Gesetze. Verbände. Behörden und Regierungen, die zensieren, wo Menschen beschädigt werden und Hass verbreitet wird, der zur Hetze und Propaganda wird. Facebook ist “a loose cannon ball”, es ist unreguliert, gefährlich und zudem das größte Überwachungssystem der modernen Zeit. Wie konnte es bloß dazu kommen? Wie konnten wir so lange dabei zusehen? Vielleicht weil wir, die wir alle dabei waren, einfach uns nicht eingestehen konnten, wie süchtig wir selbst waren. Und wer schreit schon danach das Rauchen zu verbannen, wenn er er selbst an der Zigarette hängt? Kara Swisher schrieb, dass selten in der Menschheitsgeschichte mit etwas so schlimmen und schädigenden wie Facebook soviel Geld verdient wurde. Daran ist leider viel wahres. Wir sehen, wie groß der Schaden ist, damit diese Konzerne nun unglaubliche Gewinne realisieren. Wie so oft ist der externe Schaden viel größer als der Innere. Wie eine Firma, die den Tropenholz abholzt ja auch nicht dafür bestraft wird, dass sie das Klima auf der Erde ruiniert, so wird Facebook auch nicht dafür bestraft, dass es unsere Beziehungen beeinträchtigt, unsere Einsamkeit erhöht, unsere Distanz zu den Menschen vergrößert hat und unsere offene Gesellschaft und die Demokratien geschädigt hat. Populismus, Finanzkrise, Boni-Banken, Brexit, das ist jedes für sich schon schlimm genug. Als Mischung mit Facebook zusammen und seinen Derivaten wie WhatsApp und Instagram ist es aber ein gefährlicher Cocktail für unsere Zukunft.

Man soll nicht von allgemeinen Dingen faseln, wenn man persönliche Beispiele hat. Ich erinnere einen Sachverhalt, der mich fassungslos machte und zeigte, wie soziale Netzwerke menschliche Kommunikation und Gesellschaft pervertieren können. An einem abgezäunten Grundstück, dessen Eigentümer ich bin, parkte seit Wochen immer mal wieder ein echter Lkw. Der Fahrer schien seinen Feierabend dort zu beginnen und das abgelegene Grundstück schien ihm dafür genau richtig zu sein. Es gab unzählige Anläufe, dem Fahrer mitzuteilen, dass er seinen Lkw woanders parken sollte. Mitteilungen an der Scheibe, persönliche Ansprache durch Bekannte, Anrufe bei seiner Firma. Schriftliche Abmahnungen an seinen Arbeitgeber. Es schien nichts zu fruchten. Es war schon ein extrem impertinentes Verhalten, dessen Begründung ich mir einfach nicht erklären wollte. Irgendwann eskalierte die Situation und ich zeigte den Fahrer polizeilich an: Hausfriedensbruch. Man könnte meinen, damit sei der Sache Einhalt geboten, aber ein paar Tage später stand das Fahrzeug wieder da. Die Polizei, ein Verwaltungsapparat, hatte die Anzeige natürlich nicht direkt bearbeitet oder gar die Firma mal kontaktiert, sondern durchgereicht an die Staatsanwaltschaft. Ich fühlte mich hilflos, war aber auch immer weit entfernt von diesem Grundstück, um selbst Maßnahmen zu ergreifen. Eines Tages, ich war zufällig dar, stand das Corpus Delikti auf dem Grundstück. In der Not griff ich zur Selbsthilfe und bat meinen Cousin, mit seinem schweren Gerät 2 Tonnen Gewichte vor und hinter den Lkw zu platzieren, damit die Sache endlich aus der Welt geräumt werden könnte. Da ich den Fahrer nicht kannte, schrieb und faxte ich der Spedition, was passiert sei und dass jetzt die Sache ein- für allemal geklärt werden müsse. Ich erwartete Reaktion am nächsten Tag. Stattdessen kontaktierte mich mein Cousin und sagte, ob ich denn schon die Facebook-Gruppe der Kleinstadt, in der sich das alles zutrug, gesehen hätte. Über 8000 Nutzer waren dort in dieser Gruppe, quasi die halbe Stadt. Und der Fahrer hatte dort vor Minuten Bilder der Situation hochgeladen und seine Wut zum Ausdruck gebracht. Er war das Opfer und alle Nutzer, die das sahen, stimmten sofort zu. Woher sollten die auch den Hintergrund kennen, sie hätten sicher mehrheitlich anders geurteilt. Stattdessen stimmten mehr und mehr Nutzer in einen Opferkanon ein und verurteilten mich scharf, teils in Person und zahlreiche weitere Gerüchte und Behauptungen negativer Art wurden verbreitet, geliked und weiter kommentiert. Es war eine einzige Schlammlawine, die da in Gang kam und ich empfand eine Klarstellung als einzig möglich Notwehr. Also erklärte ich den Sachverhalt höflich, aber öffentlich und setzte auch den Fahrer unter Druck, seinen Post schnell zu löschen. Es dauerte einige Stunden, bis der Fahrer seinen Irrtum begriff, letztlich drohte ich auch mit weiterer Anzeige wegen Rufschädigung, Falschbehauptung, etc. Das schien dann Wirkung zu zeigen, endlich konnte das greifen, was die Zivilgesellschaft sonst unter Kontrolle hält: Gesetze. Grenzen. Sanktionen. Der Schaden war aber dennoch da, einige hatten üble Nachreden verbreitet, ich mußte mich wehren gegen absolute Falschbehauptungen, die aber erstmal in der Welt wahren. Eine nahezu typische Geschichte, doch selten reagiert das Opfer oder weiß überhaupt was da passiert – es gibt so unendlich viele Foren, in denen es ohne Einhalt gärt und brodelt, dass uns schlecht werden muß.

Ich bin am heutigen Tage froh, dass ich es getan habe. Es ist nicht leicht, es bringt zunächst das starke Gefühl mit sich, dass erheblicher Verlust dadurch droht. Und natürlich wird mein Beispiel nicht dazu führen, dass Facebook nun ruiniert ist. Das tut es einerseits gerade selbst durch Unterlassung nötiger Anpassungen im Geschäftsmodell ( gibt es überhaupt eines, dass funktioniert ohne Missbrauch von Daten? Wer würde für Facebook zahlen?). Und auch die ganze Architektur ist per se kaum zu reformieren. Facebook ist wie Google mit Stochastik verheiratet – sie berechnet die Wahrscheinlichkeit, mit der uns bestimmte Dinge gefallen aufgrund diverser Vorlieben und versucht uns immer bessere Vorschläge zu machen. Diese Vorschläge entsprechen dann dem, was wir erwarten, weswegen die Reise ins Netz ein hohler Prozess wird. Wir werden nicht mehr neuen Dingen ausgesetzt, sondern Dingen, die wir so erwarten. Und wehe, die Welt ist nicht so! Das ist politisch fatal: Wenn all meine sogenannten Freunde ein Defizit benennen, verstärkt sich nicht nur die Filterblase durch sich selbst, wir sind auch immer weniger in der Lage zu akzeptieren, dass unsere Meinung nur ein kleiner Anteil im Meinungsbildungsprozess der Mehrheiten in einer Massengesellschaft ist.


Neusprech: Donald J. Trump benutzt vor allem Twitter um seine Propaganda und Lügen zu verbreiten

Europa ist stark geworden, weil es irgendwann die Aufklärung erreicht hat. Aufklärung heißt, eine Welt des Zweifelns von Wahrheiten zu akzeptieren und sich stets der Welt zu öffnen, ohne darin sofort einen persönlichen Angriff zu erkennen auf eigene Macht und Herrschaftsanspruch, der mit Gewalt beantwortet werden muß. Wir verlieren die Aufklärung in dem Moment, wenn uns nur noch das gezeigt wird, was wir erwarten und kennen. Wir lernen nichts mehr. Wir bestätigen uns nur noch selbst. Das ist zwar ein komplizierter Selbstbetrug. Aber das Ergebnis zählt. Und weil ich dass abgrundtief hasse, gab es für mich nur einen Weg. Raus da! Und löscht die Daten!

Ihr werdet sehen, es ist wie nach der Entwöhnung von Zigaretten. Irgendwann versteht ihr, ihr vermisst eigentlich…..nichts. Und könnt froher darüber werden, dass Euch nicht großer Schaden droht. Wie groß der bei Facebook mal sein wird, darüber kann ich nur mutmaßen. Aber Herrschaft des Pöbels, wie sie Jaron Lanier befürchtet, erscheint mir eher eine Bestätigung der Realität schon heute zu sein. Eine sich selbst bestätigende, nationalistische Nation im Krieg mit Populisten, die das gleiche System benutzen, um sich selbst zu belügen, erscheint mir mittlerweile das Allerwahrscheinlichste.

Es ist das Ende der Schuld. Zeit, wieder Verantwortung für sich selbst zu übernehmen. Und seine Daten.

P.S. Die Mechanismen von Social Media, insbesondere seine Auswirkungen auf unsere Psyche, unsere Verhaltenskonditionierung und die Manipulation im Hintergrund hat Jaron Lanier natürlich noch viel besser beschrieben (vor allem wissenschaftlich), mein Artikel oben stellt eher meine persönliche, eigene Erfahrung dar.

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