“Gut gebrüllt Augstein. Der deutsche Michel ist also wiedergeboren, in Form einer Frau. Und es gibt Wurst, weil die Deutschen nun mal Wurst lieben. Also das Volk kriegt Wurst. Die Elite isst Schinken und Schnitzel, ich weiß es, ich bin Westfale. Und wir sind die Provinz. Weil wir immer Provinz waren, trotz Berlin, München und Hamburg, kein Paris, kein London, erst recht kein New York. Recht hast Du, die Parteien spielen mit uns und wir kriegen es mit: Die anderen waren schuld, wir wollten stets das Gute, Wahre und Schöne. Und faul sind sie, haben sich eingenistet in der Macht und weder Vision noch Europa im Auge. Selbst Kohl hatte mehr vor mit uns. Doch sag, was tust Du, außer dich zu erregen und zu schreiben? Eine Partei gründen? Einen Verlag? Mäßige Dich, Schreiberling, könnte ich sagen. Du bist nur die intellektuelle Ablehnung, mit der die deutsche Elite stets über sein sumpfiges Volk gelästert hat. Seit Goethe, seit Kant, seit allen Zeiten ist es das träge Volk, das Angst hat. Und dann, ja dann, dann kommst Du Augstein. Kein Saumagen mehr, nein große Kunst. Mit lauter Stimme. Furchtlos. Und packst Du die Deutschen bei Ihrer Angst? Der Euro wird zerbrechen? Auf dass Sie wütend werden, die Deutschen, richtig wütend. Ihr Versailles, dass ist jetzt Europa und der Euro. Weil Sie nicht mitkriegen, wie Sie von Franzosen, Engländern und all den anderen an der Nase rumgeführt worden sind – sogar die Südlander waren es, geführt von den Goldman Sachs-Boys. Dem bösen Finanz-j….tum? Wolltest Du das nicht sagen, Augstein? Gefährlich, Augstein, gefährlich. Dein Vater hat Heidegger beim Wandern gesprochen – auf dem Kirchplatz, in der Lichtung. Da ist es düster, Augstein, ganz und gar düster. Aufklärung tut not. Und die Erkenntnis, dass wir einfach nur Deutsche sind. Nicht groß, nicht klein. Ein Volk in der Mitte eben. Und mittelmäßig im Großen und Ganzen. Die Krise ist da – und sie wird immer bleiben. Weil Europa ist groß und klein, stets Mittelmaß. Der Euro wird bleiben. Aber er wird kein Dollar sein. Wir werden weiter Deutsche sein. Und Wurst und Schinken wird es weiter geben – und vielleicht mal einen Vegetariertag im Jahr. Damit es Frieden gibt. Nun geh in den Garten, den hast Du so schön. Und hol Dir Frieden. Die anderen gehen in den Wald. Wie Goethe schon sagte, dort oben, über den Wipfeln ist ruh. Und das war es dann mit der Erregung. Iss eine Wurst oder Schinken. Wurst fürs Volk, Schinken und Schnitzel für die Herren. Und eine Kohlrabi, roh, dazu. Damit der Magen seinen Frieden hat. Ach gott, weiß so ein bisschen schlechtes Essen doch anrichten kann, Ihr Deutschen.“
Als Replik zu Jakob Augstein Kolumne “Bündnis der Angst” http://www.spiegel.de/politik/deutschland/jakob-augstein-merkel-und-die-deutschen-bilden-ein-buendnis-der-angst-a-914775.html sowie FAZ “Die Zukunftsverweigerung” http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/politik-in-pausenstimmung-die-zukunftsverweigerung-12342343.html
Anscheinend haben viele noch nicht verstanden, dass Helmut Kohls Politik noch etwas weiter reicht als bis zur Spendenaffäre: “Deutschland in Einheit in Europa – das ist unser Auftrag.” Und der Euro war das letzte Instrument um klar zu machen: Der Primat ist der Friede und die Krise ist der Preis – weil der Preis als Krise dafür immer noch zu billig ist, um nie wieder Krieg zu führen.