Ein kurzer Besuch in Potsdam, eine kleine Visite beim Schloss Sans Souci in aller Hergottsfrüh, kalter Wintermorgen und der einzige Tourist weit und brei ich selbst. Kleines Intermezzo mit der deutschen Vergangenheit, architektonisch von seiner gelungsten Seite, wenn man es im Kontext seiner Zeit sieht. Der Barock war die Zeit der höfischen Prasserei, Friedrich bleib mit seinem vergleichsweise kleinem Entwurf bescheiden und orientierte sich an tatsächlichen Bedürfnissen statt an repräsentativer Verschwendungssucht.
Trotz aller Bescheidenheit sicher aber nicht in seiner Ästhetik und konzeptionellen Reinheit sparsames Meisterwerk, der erste Entwurf stammte gar vom König selbst. Dann ein paar überraschende Erkenntnisse: Der vom Vater arg streng erzogene und früh gebrochene Philosophenkönig war im Beginn seiner Regentschaft überraschendweise ein eiskalter, abgebrühter Machiavellist. Mag er im Werk “Antimachiavelli” aus Opposition zum Vater gerade gegen diese Art von barbarischem Regentum opponiert haben, so zeigte sein Schlag gegen Schlesien, wie kalkuliert und abgebrüht er die habsburgerische Schwächen auszuspielen vermochte und dabei keinerlei Skrupel besass. Sein Vater, der Soldatenkönig, hatte zwar die Taler gern ins Militär fliessen lassen, sie aber nie in Angriffskriegen verwendet. Sein Vater hinterließ ein solides Staatswesen, Friedrich reformierte daran wenig, ging aber früh in die Offensive und nutzte die Verlegenheit seines Gegners zügig aus. Von ihm stammt ein Zitat, wie es in gleicher Form auch schon Konfuzius abgefasst hatte, das es mir antat. Nur in seiner Offenheit und im Bekenntnis zu diesem machtorientierten Vorgehen war Friedrich der II. einzigartig unter anderen gefallsüchtigen Regenten seiner Zeit, denen keine dreckige Argumentation zu schmutzig war. Fast schon desillusioniert hielt er seinen philosophischen Spielgefährten vor, sie verstünden soviel vom Kriege wie ein Irokese von der Astronomie und rüffelte Ihre Naivität, was England und das Haus Hannover betraff:
“Hab ich nicht recht gehabt, als ich Ihnen sagte, die Engländer seien Schufte? Im Augenblick dürfen wir uns aber nichts anmerken lassen, sondern müssen uns verstellen. Setzen Sie Himmel und Erde in Bewegung, um den Engländer zu betrügen. Ich werde ihn gleichfalls sehr gut aufnehmen und hoffe, ihn ebenfalls zum Narren zu halten.”
Und weiter führt er aus: “Unter Schuften ehrlich zu bleiben, ist sehr gefährlich. Ist mit Ehrlichkeit etwas zu gewinnen, wollen wir ehrlich sein;müssen wir betrügen, nun, wollen wir schlau sein.”
Wenn eines mir beim Studium der Biographie Friedrichs des Großen sofort auffiel, aber sich in keiner Zeile des Werkes wiedergefunden hatte, dann ist es die offensichtliche Homosexualität des Preußenkönigs. Überall Hinweise zu Hauf: Er nennt es nicht Liebe zu Männern, sondern “große Freundschaften, platonische Verbandlungen”; es gab keinerlei Frauenzutritt auf SansSouci, kein Verkehr mit der Gattin, keine Nachkommen, ein von der Mutter erzogener Sohn, der überdominante
Vater, dem der Sohn versucht ein übermässigeres Ebenbild zu werden und um weibliche Seiten ergänzt ganz versessen auf ersten Ruhm ist (Philosophie, Kunst, Literatur blieben Passion sein Leben lang), die Art sich in jeder Situation zu verstellen und seinen eigentlichen Neigungen schauspielerisch ein Gegenteil seiner Person zu schaffen – papperlapapp, wer da nicht von Homosexualität sprechen will, der will wohl seine eigene Weltsicht retten von tiefst konservativem Dünkel.
Die Ermordung des frühen Jugendfreundes Kattes durch seinen Vater Friedrich I. ist unter dem Gesichtspunkt einer potentiell homoerotischen Beziehung noch besser erklärbar. Die Geschichtsschreibung schweigt leider zu dem, was nicht sein darf – welcher liberale Geschichtsforscher interessiert sich schon für einen militaristischen Vorgänger des Deutschen Reiches und ist verlegen genug, sich diesem Thema zu widmen? Aktuell wohl kaum jemand, es wird auch ein schwieriger Beweis zu führen sein. Denn wer in Umgebung des Königs hätte dies schon offiziell kund getan in Anbetracht der Strafen, die ihm drohten?
Nun, ich konnte jedenfalls ohne Androhung irgendeiner Strafe einen Königspalast als kleiner Plebs besuchen – was für eine Errungenschaft einer freien, bürgerlichen Gesellschaft, in der sich jeder Hans-Franz einmal die gelungene Barock-Architektur besehen kann. Der Grundriss übrigens ist von beispielloser Modernität: Zentraler Empfangsraum, schlauchartig angeordnete Nutzräume, dabei die meistgenutzten Räume direkt beieinander – eine ideale Wärmebilanz war in dieser Zeit so schon einigermaßen realisierbar trotz mangelhaften Fensterbaus.