Die Evolution der Idioten

       Ungeschminkte Tatsachen

 

Zunächst gibt es ein paar Amöben. Einige mutierte Amöben paßten sich der Umgebung besser an als andere und wurden zu Affen. Und dann kam das Total Quality Management.

Ich lasse einige Details aus, aber die Theorie selbst hat auch Lücken, nach denen man besser nicht fragt.

Jedenfalls brauchten wir viele Jahre, um diese hohe Evolutionsstufe zu erreichen. Das gemächliche Entwicklungstempo war in Ordnung, weil es nicht viel zu tun gab, außer herumsitzen, ein bißchen vögeln und der Hoffnung, nicht von Wildschweinen aufgefressen zu werden. Manchmal fiel auch einer in Mammutkothaufen, was damals ein Zeichen für Glück war. Dann fiel jemand auf einen spitzen Stock, und der Speer war erfunden. Damit fing der Ärger an.

Ich war natürlich nicht dabei, aber ich wette, daß ein paar Typen meinten, der Speer würde niemals die Fingernägel als Kampfmittel ersetzen. Diese Menschen beschimpten die Speerbenutzer mit Kosenamen wie "Moschusochse", "Höhlenhyäne" oder "Grompfargh"!

"Vielfalt" war damals noch nicht angesagt, deshalb hat sich die "Sag-nein-zum-Speer-Fraktion" dann doch noch zum Speer bekannt.

Das Gute am Speer war, daß (fast) jeder kapierte, wie er funktionierte. Er hatte im wesentlichen zwei Merkmale: Er war härter als Mammutkot und hatte ein spitzes Ende. Diesem Grad der Komplexität waren unsere Gehirne relativ gut gewachsen, nicht nur die Gehirne der Intellektuellen, auch der einfache Mann konnte mit einem Speer ganz gut umgehen. Das Leben war gut, abgesehen von gelegentlichen Seuchen, , vollgekoteter Höhlenecken, rohem Fleisch mit Bandwürmern, einer Lebenserwartung von sieben Jahren...und dem sehnlichen Wunsch, daß das Leben nach dem vierten Jahr endlich enden möge. Darüber, daß die Speere zu kompliziert seien, beklagte sich niemand.

Da kam plötzlich (evolutionär gesehen, also eher allmählich, nach 420002382348 Jahren) ein Mutant daher und erfand die Druckerpresse. Dann ging es schnell bergab. Heute, nur einen Moment später, wechseln wir unsere Laptops beim Service aus, die wir schuldhaft mit Kaffee zugeschüttet haben, um die Wirtschaft zu bescheissen.Nebenbei düsen wir in glänzenden Objekten aus Metall, in denen alkoholfreie Getränke und Erdnüsse gratis serviert werden , am Himmel daher.

Für unsere Probleme mache ich Sex und Papier verantwortlich: Nur einer in einer Million ist intelligent genug, eine Druckerpresse zu erfinden. Als die Gesellschaft nur aus einigen hundert Affen bestand, waren die Chancen gering, daß jemand ein Genie war. Aber die Menschen hatten Sex, und mit jedem hinzugekommen Deppen, stiegen auch die Chancen auf diesen überdurchschnittlich begabten Klugscheißer. Sobald aber mehrere Millionen Menschen auf der Erde wohl oder übel Sex haben ( Wenn Sie noch nie wohl oder übel Sex hatten, sollten sie es unbedingt versuchen!) , stehen die Chancen leidlich gut, daß sich eines Tages eine Affenmutti auf ein Feld hockt, und diesen Druckpressermutanten wirft.

Als wir die Druckerpresse hatten, waren wir schon so ziemlich dem Untergang geweiht. Weil jedesmal, wenn ein Klugscheißer auf die Welt kam, hatte dieser seine Ideen aufgeschrieben und mitgeteilt. Auf jeder guten Idee konnte man aufbauen. Die Zivilisation explodierte, das Knowledge Management hatte die Technik geboren und die Komplexität des Leben vergrößerte sich geometrisch. Alles wurde größer und immer besser.

Außer unseren Gehirnen.

Die Technik, die uns umgibt, die Management-Theorien, die ökonomischen Modelle, die unser Verhalten voraussagen und leiten, die Wissenschaft, die uns hilft, neunzig zu werden (um uns dann nicht sterben zu lassen), all das haben wir einem verschwindend kleinem Prozentsatz überdurchschnittlich intelligenter Menschen zu verdanken. Die anderen treten Wasser, so schnell sie können.Für sie ist die Welt zu komplex.Die Evolution blieb auf Ausnahmen beschränkt. Dank Druckerpresse konnten Genies sich mittels Papier den nächsten Generationen mitteilen, ohne sich genetisch zu vererben. Es kam zum Kurzschluß. Wir bekamen noch vor der Intelligenz Wissen und Technologie.

Wir sind ein Planet von mehr als sechs Milliarden Idioten und leben in einer Zivilisation, die von überraschend intelligenten Ausnahmen gestaltet wurde. 

Ein wahres Beispiel: Kodak brachte eine Einwegkamera namens Weekender heraus. Kunden fragten beim Service telefonisch an, ob man die Kamera auch unter der Wochen benutzen könnte. (Der Spiegel, 10/97)

Alle anderen Theorien über die Evolution sind äußerst sportliche Versuche von Dummköpfen, die auch ein paar Mark abgreifen wollen.

 
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