Veränderung schafft neues Leben. Und sie nimmt altes Leben gleichermassen. Die Bewertung des Neuen zum Alten ist unscharf und ungenau, solange beides währt. Da das Jahr noch nicht mal ganz vorbei ist, spare ich mir Kritik und belasse es bei ein paar Anmerkungen: Ein Trend war für 2006 ausgesprochen deutlich: In der Politik kommen die Frauen in alle Ämter.Ob Ségo, Merkel oder Pelosi, die alte Männergarde hatte da wenig Chancen. Beruhigend auch, daß eingerahmt von großer Satire sich die extremen Eckpfeiler gesellschaftlicher Auseinandersetzung wieder nähern, es kehrte Ruhe in einen schizophrenen Diskurs ein (insbesondere USA).Ist das der Siege der Frauen – eine verständigere Dikussion? Wer sagt da, der neue James Bond sei männlicher als früher? Aber sind diese Frauen Vorbilder oder Männerkopien? Dürfen sie weiblicher sein als Männer? Oder löst eine Diktatur der Ideale die Nächste ab? Sieg oder Niederlage – manchmal war 2006 doch dabei sein einfach alles. Beim schönsten Ereignis des Jahres – der Fußball WM – freute sich Mann und Frau gleichermassen. Das Ereignis brachte mir danach den besten Entschluss des Jahres, die Kündigung von meinem alten Arbeitgeber ohne goldenen Fallschirm. Das war mutig und so eine Entscheidung vergrößert den Respekt vor sich selbst. Lohnenswert auch das Mozart Jahr 2006 – eine große Frau hat es für mich erst dazu gemacht. Musikalisch leider sonst nicht viel Neues – Kante & Blumfeld nahmen die Natur ins Visier – beides gut, aber 4 Jahre zu spät nach der besten Pulp Platte aller Zeiten mit gleichen Motiven (Trees, Birds in your garden). Jarvis Cocker ist zwischenzeitlich immer weitergegangen, tolle Scheibe. Super die neue AFM Platte namens Doubledecker. Dylan war wieder gut, so wie es James Brown zuletzt selten war. Ob der Godfather of Soul eine Seele hatte – nur der Teufel wußte es und hat sie sich geholt. Seelenlos und öde viele neue Bücher, dagegen stehen Kehlmann und Pamuk mit außergewöhnlich guten Werken. Es nervte Günther Grass mit seiner peinlichen und “kalkulierten Beichte”(Matussek). Grass ohne Zeigefinger – ein alter Lehrer ohne Lineal. Stattdessen ist”Fürst der Finsternis” keiner mehr – Joachim Fest macht in seinem letzten Lebensjahr mit seiner Biographie einfach alles richtig: “Etiam si omnes – ego non!” – er übersetzt die Stelle so: “Auch wenn alle mitmachen – ich nicht!” Der Titel “Ich Nicht” ist eine kongeniale Antwort auf Grass’ “Wir waren doch alle Nazis” – ehrlich, vorbildhaft und genial vermarktet dazu. Gute Filme heißen 2006 “Babel“, “Borat“,”Das Leben der Anderen“ und “The Departed“. Was uns 2006 noch so brachte: Wir surfen nicht mehr im Netz, wir gucken Internet – view on demand ist schon da. Hoffentlich bleibt uns dabei Saddams Erhängung auf YouTube erspart. Sein Prozess ist nicht bis zum Internationalen Gerichtshof gekommen – warum? Auch so ein Ärgernis 2006 aber schlimmer in seinen Folgen für die Menschen ist die katastrophale, deutsche Gesundheitspolitik. Alle beteiligten Akteure, Hoppe, Montgomery, Schmidt u.a. haben sich unseren Respekt verwirkt, weil sie wieder nicht zu einer tragfähigen Lösung gekommen sind. Das schreit nach Rücktritt. Die sozialen System verfehlen immer mehr ihren Auftrag. An ihrer Modernisierung ist bislang jede Regierung gescheitert, eine Schande.Die Politikverdrossenheit ist folglich so hoch wie nie – kein Wunder. Die Parteien sind stark, die Parlamente schwach. Ob Merkel eine “zweite Periode” erlebt, hängt insbesondere an der Gesundheitsreform. Nur mit Ihr können wir auch die positive Wirtschaftsentwicklung fortführen, denn der WM Effekt reicht nicht ewig. Ach ja, Wirtschaft: Nicht viel gutes, Skandale, Schmiergeld, Gehaltsexzesse ohne Zusammenhang zur Produktivität. Weltpolitisch asymmetrische Kriege überall – das Morden im Irak und Sudan geht weiter – 2007 hat es gut – es wird ihm in vielerlei Hinsicht leicht fallen, besser als sein Vorgänger zu sein -es geht auch ohne WM.