Denkfehler und Chancen in der Krise

Dov Seidmann, Philosoph, spricht im Spiegel über seine, sehr faszinierende Sicht der Finanzkrise:

“Der wesentliche Denkfehler, der dieser ganzen Krise zu Grunde liegt, ist die Annahme, dass du dich entkoppeln kannst in einer immer stärker vernetzten Welt. Wenn du Hypotheken nimmst und weiterreichst, also von den Kreditnehmern räumlich entfernst und irgendwo zu Bündeln mit anderen Hypotheken verschnürst, entpersönlichst du das ursprüngliche Geschäft. Du kappst Verbindungen. Und du ignorierst in eben diesem Moment das Wesen der Globalisierung, nämlich dass alles mit allem vernetzt ist. Du kannst ja gar keine Verbindungen mehr kappen, alles kommt irgendwann zurück, weil alles einen Effekt auf alles hat. Du wettest auf Häuser in Ohio und kannst damit die Volkswirtschaft Islands ruinieren. Es sollte dir klar sein.

Von der Erwartung, ohne Anstrengungen reich zu werden

Ein weiterer Denkfehler in dem ganzen System ist die Erwartungshaltung. Wann haben wir den Punkt erreicht, wo wir gedacht haben, ein Haus müssten wir nicht mehr verdienen, sondern es stehe uns zu? Der amerikanische Traum bestand mal in der Idee, sich nach ganz oben zu arbeiten, heute besteht der amerikanische Traum darin, eben diesen Traum besitzen zu wollen. Hier und sofort. Kaufen zu wollen. Ohne Guthaben. Mit Kreditkarte. Wenn du das Glück direkt anstrebst, wirst du gierig, und du wirst es verfehlen. Wenn du jedoch etwas tust, was eine Bedeutung hat, wirst du glücklich werden. Ich glaube, die Menschen sind wieder bereit für solche Erkenntnisse. Moralische Vorstellungskraft, ethisches Handeln wird geringer mit zunehmender Distanz. Das ist erwiesen. Nähe hingegen schafft Verantwortung und moralische Verpflichtung. Das Faszinierende an der Globalisierung ist ja nun, dass Entfernungen schrumpfen. Wir rücken einander näher. Wir sind alle miteinander verbunden, wir sind eine Welt. Das sollte zu Vernunft zwingen und zu gutem Benehmen. Die Gelegenheit zu einer Wende war deshalb nie so groß wie gerade jetzt.

Die wirkliche Währung unserer Zeit ist Beständigkeit. Eigentlich ist alles ganz einfach. Wenn wir die Vernunft des Menschen voraussetzen, hätte es die Krise nie geben dürfen. (Anmerkung: hier liegt die Crux, Menschen handeln nicht eindeutig rational, siehe Diskuss. Homo Oeconomicus). “Eine Entschuldigung der Banken, die nun Steuergeld annehmen, täte vielen Kunden ganz gut.”Eine Entschuldigung ist der erste Schritt, um Vertrauen wieder aufzubauen, haben Sie in dieser ganzen Krise schon mal eine Entschuldigung gehört? Wer sich nicht entschuldigt, bleibt entkoppelt.”

Ehrlichkeit und Fairness zum Vorteil der Unternehmen

“Eine hypertransparente Welt bedeutet, dass wir alle überprüfbar sind wie noch nie. Man muss so leben, dass diese Transparenz zum eigenen Vorteil wird. So erreichen Sie Loyalität Ihrer Kunden, menschliches Vertrauen wird zur Währung von Interaktion. Das ist der neue Wettbewerb: der Kampf darum, wer den anderen durch anständiges Verhalten übertrifft.”

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