Der wohl eher unbekannte große Alte, der Maestro, aber eben auch “hundsg’scheite” Sternekoch: Als solcher gibt Vincent Klink in der Welt ein Potpourri zum Besten über die großen und meist einfachen Wahrheiten zum Thema Kochen, fernab von den Kerners, Mälzers und anderen Schaumschlägern, hin zu der wenig glamourösen Erkenntnis, daß Kochen was mit Arbeit zu tun hat, es überall Faschisten und Überzeugungstäter hat und Trends kommen und gehen, nur “lecker” aber bleibt. Hauptsache, der Gast zahlt – ist ja ein Geschäft und schließlich müssen auch Spinner bedient werden! Von spiritueller Reinheit und Tiefe allerdings sind seine Äußerungen, ob denn Kochen nun Handwerk oder Kunst sei:
WELT ONLINE: Wie stehen Sie zu Entwicklungen wie der Molekularküche?
Klink: Ich habe nichts dagegen. Es hängt aber immer davon ab, welche Kundschaft man hat. Ich war neulich mal bei Tim Raue in Berlin essen – asiatisch, aber ohne Reis – damit würden Sie hier in Stuttgart pleite gehen. Das entspricht mehr einem Publikum, das völlig übersättigt ist, denen kommt es in erster Linie auf die Inszenierung und den letzten Gaumenkitzel an. Event-Esser, dagegen habe ich mich immer gewehrt. Aber wenn man nun auf sie angewiesen ist? In Berlin wäre ich auch dabei. Außerdem zeugt so ein Konzept doch von Vielfalt. Auch die Spinner müssen bedient werden. Generell hat sich die Szene sehr erfreulich entwickelt – und falsch macht es nur der Koch, der keine Kundschaft hat.
Klink: Vielleicht, weil die Leute glauben, Genuss funktioniere durch hochpreisige Zutaten. Wie ein Autofreak sicher total glücklich ist, wenn er sich mal in einen Ferrari setzen darf. Pustekuchen – das glauben nur Ungeübte. Der Profi freut sich über eine Pellkartoffel. Mein schwierigstes Gericht auf der Karte ist die Maultasche. Die kann ich gar nicht nach Rezept kochen, da gehört eine unglaubliche Erfahrung dazu. Deswegen bereite ich sie persönlich zu. Ich nehme 18 Euro und muss beweisen, dass ich sie besser kann als alle diese geübten Hausfrauen um mich herum. Das ist hart.
WELT ONLINE: Apropos: Beschäftigen Sie auch Frauen in Ihrer Küche? Lange galten die ja als nicht hart genug?
Klink: Aber sicher. Es treibt den Intelligenzquotienten in die Höhe und den Umgangston auch. Ich hab so eine ganz hübsche, die sieht aus wie die junge Romy Schneider, die kann ein Schwein schlachten. Und eine andere wollte unbedingt sehen, wie ein Tier stirbt. Da gibt es keine Berührungsängste mehr.
WELT ONLINE: Wie ernähre ich mich richtig?
Klink: Die wichtigste Regel: möglichst viel Chaos! Es gibt heute kein Lebensmittel mehr, das völlig unbelastet von Schadstoffen wäre. Noch auf dem ökologischsten Öko-Feld war irgendwann mal ein Auspuff in der Nähe. Und wenn ich nun jeden Tag Salat esse, kriege ich jeden Tag meine Dosis Nitrat ab. Man muss die Gifte möglichst gleichmäßig verteilen.
ELT ONLINE: Glauben Sie, dass die ganzen Fernsehköche, zu denen Sie auch gehören, aufklärend wirken?
Klink: Nicht wirklich, wobei das noch besser ist, als wenn sich das Publikum Containershows oder Wrestling reinzieht. Vielleicht bleibt ja irgendetwas von dem, was wir da machen, in irgendeiner Birne hängen. Und ich kann öffentlich sagen, dass ich Nestlé für eine Verbrecher-Firma halte. Ist doch prima.
WELT ONLINE: Also hat Wolfram Siebeck Recht, wenn er sinngemäß sagt, wer nicht Bio kauft, ist ein Idiot.
Klink: Ja. Wenn man nicht die Linie fährt: Ich will Bio, aber wo bekomme ich es noch billiger? Ein Huhn, das artgerecht aufwächst, hat seinen Preis. Wenn dann einer kommt und sagt: Ich geb’s dir billiger, kann etwas nicht stimmen. Ich liebe Fleisch, aber wenn ich sehe, was die Leute so in sich hineinstopfen, dann kann ich nur sagen: Bei dem Fleisch würde ich zum Vegetarier werden.
WELT ONLINE: Also klafft die Schere auseinander.
Klink: Das ist dramatisch. Es gibt einige, die immer besser essen, die anderen machen sich vollkommen von Industrieprodukten abhängig, weil sie nicht mehr kochen können.
WELT ONLINE: Sind die zu dumm?
Klink: Nichts da – die kümmern sich nur nicht drum. Man muss seine Fähigkeit zum Genuss schon entwickeln. Dafür muss man aber keine Intelligenzbestie sein. Neugier reicht. Riechen, Schmecken, das kann man lernen. Einfach auf dem Markt mal ein Gemüse in die Hand nehmen. Sich mal auf einen Wein konzentrieren. Mit ein bisschen Anleitung ist es einfacher – leider versagen da viele Eltern. Die Kinder kapieren eigentlich sehr schnell. Ich will mit Essen ein inneres Glücksgefühl erreichen.
WELT ONLINE: Sind Köche generell Künstler oder Handwerker?
Klink: Je älter ich werde, desto mehr lerne ich das Handwerk zu schätzen. Vielleicht in einem japanischen Sinne: Dort geht Handwerk bis in die kleinste Verzweigung der Seele, es steht fast über der Kunst. Mag sein, weil es so viele Künstler gibt, die 90 Prozent ihrer Energie auf den Habitus verwenden. Das ist natürlich Schwachsinn. Echte Künstler verwenden 90 Prozent aufs Handwerk. Und sie wissen: Das Einfachste ist schwer perfekt zu kochen, jeder Fehler fällt auf.