In einer empirischen Fallstudie zeigt die Anthropologin Nancy Scheper-Hughes, wie die Ausgeschlossenen der Welt, die wirtschaftlich und politisch Enteigneten – Flüchtlinge, Obdachlose, Straßenkinder, Migranten ohne Papiere, Häftlinge, alternde Prostituierte, Zigarettenschmuggler und Diebe -, Teile ihres Körpers an die Transplantationsmedizin liefern. In den Körperlandschaften der Individuen verschmelzen Kontinente, Rassen, Klassen, Nationen und Religionen. Muslimische Nieren reinigen christliches Blut. Weiße Rassisten atmen mit der Hilfe schwarzer Lungen. Der blonde Manager blickt mit dem Auge eines afrikanischen Straßenkindes auf die Welt.
Ein katholischer Bischof überlebt dank der Leber, die aus einer Prostituierten in einer brasilianischen Favela geschnitten wurde. Die Körper der Reichen verwandeln sich zu kunstvoll zusammengesetzten Patchwork-Arbeiten, die der Armen zu einäugigen beziehungsweise einnierigen Ersatzteillagern. Der stückweise Verkauf ihrer Organe wird so zur Lebensversicherung der Armen, in der sie einen Teil ihres körperlichen Lebens hingeben, um in Zukunft überleben zu können. Und als Resultat der globalen Transplantationsmedizin entsteht der „biopolitische Weltbürger” – ein weißer, männlicher Körper, fit oder fett, in Hongkong, Manhattan oder Berlin, ausgestattet mit einer indischen Niere oder einem muslimischen Auge.
Der globale Arme ist zugleich in einem sehr spezifischen Sinne inkludiert und exkludiert. Er ist in unserer körperlichen Mitte – und nicht zuletzt deswegen kein „globaler Anderer” mehr.
Auszug aus: Ulrich Beck, F.A.Z., Das Zeitalter der Kosmopolitisierung, 08.09.2013