Der Mensch scheint eine pathologische Neigung zu haben, seine Selbständigkeit aufzugeben. So formulierte es Schweitzer bereits Anfang des 20.ten Jahrhunderts, was damals in der Tat schwer vorherzusehen war und im Faschismus seinen vorläufigen Höhepunkt in der Menschheitsgeschichte erlebte. Wenn eine Nation aktuell Gefahr läuft, aus dem Fahrwasser der Demokratie abzudriften in einen autoritären Führerstaat, wie es zu viele noch heute gibt (Nordkorea, China, Russland, Qatar, Saudi Arabien, Sambia, ec.), dann ist es offensichtlich die Türkei des Recep T. Erdogans. Kein Staat steht so nahe vor dem Abgrund des gefährlichen Führerstaates. Absurd, mit welchen Leibwächtern er sich jüngst schmückte – in der Uniform der Phantasieosmanen und der Hunnen, ein historischer Kult der so nichtmal ansatzweise der historischen Wahrheit nahe kommt. Man kann nur darüber lachen, weil offensichtlich die Fähigkeit fehlt, aus Historismus eine neue Ideologie zu etablieren, die näher an der Gegenwart ist. Aber das Lachen könnte uns bald vergehen, wenn Erdogan seine Ideologie weiter zum Führerkult festigt und erste Opfer für seine Größe verlangt.
Was erst noch im Ministerpräsident Erdogan daher kam als patriarchalischer Herrschertyp mit konservativem Gesellschaftsbild und wirtschaftlicher Aufstiegssehnsucht, trägt immer mehr autoritärere Züge, wo er nun Präsident des Staates ist. Auffällig war erst der Widerspruch gegen den islamischen Premier auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos. Doch das ist erst der Anfang eines selbstherrlichen Herrschers, der Kritik mittlerweile nirgendwo mehr duldet. Leider, so muss man konstatieren, hat seit Atatürk die Türkei sich stets in autoritären Strukturen gefallen und wurde so beherrscht. Der Umgang mit der Pressefreiheit, die schlicht mit Füssen getreten wird, ist jüngstes Beispiel. Offensichtlich ist Erdogan auch ein Kleptokrat, mehrere hundert Millionen hat er an die Seite geschafft, schlicht offenbart von einem Telefonmitschnitt. Dennoch verharren die Türken in Habachtstellung und greifen Ihren Führer nicht an. Sie sind es gewohnt, beherrscht zu werden und sie möchten nichts lieber als selbst herrschen und wieder Größe erlangen. Hier sind die Träume eines osmanischen Weltreiches wieder immanent, als wäre es eine Art Vorsehung, wird dieses Reich Größe und Allmacht über den gesamten arabischen Raum erlangen. Wie dies ohne Gewalt passieren soll, ist jedem Pragmatiker der Macht schleierhaft. Es wird in der Türkei von freiwilligem Anschluss gefaselt. Noch ist die Türkei in den Natostrukturen derart fest eingebettet, dass die Amerikaner derartige Vormachtstellung niemals akzeptieren werden. Das Minderheiten wie Kurden oder Jesiden nur weitere Repression befürchten müssen, ist anzunehmen. Ob die Türkei weiter mit Ihren Minderheiten freundlich umgeht, wird genau zu beobachten sein.
Erdogan, das ist die Personifizierung des patriarchalischen Mannes. ER, wie synonym beginnt der Name mit dem Subjektiv des Mannes. Erdogan liebt offensichtlich ein nicht sonderlich humanes-Gottesbild, er bevorzugt den straffen, zornigen Allah des konservativen Islams. Ein herrschsüchtiger und masochistischer Gott. Er selbst ist Atatürk gleich als er ein gleichsam autoritärer Führer ist, doch hat es Atatürk nicht von Dauer gegeben, weil er Weib und Alkohol fröhnte. Erdogan will ihm dort überlegen sein und verzichtet wohl auf beides. Stattdessen gibt es Maskeraden in seinem neuen Palast der 1000 Zimmer, ein aberwitziges Zeichen seiner Großmannssucht.
Er trägt aber nicht die Herrschaftskleider des Kolonialismus in prächtiger Uniform, sondern den schwarzen Anzug des bürokratischen Biedermanns, des Managers, die Dienstkleidung des Kapitalismus-technokraten. Ehrlicher ist der Sultansanzug, den der Economist ihm widmete, nicht, denn auch die türkische Form des Kapitalismus bedient autoritäre Strukturen und ist somit gegenwartsnahe Form der Reinterpretation eines kapitalistischen Sultans. Der Chef ist stets der Patriarch und nicht selten als Familienunternehmer Verwalter eines ganzen Clans. Ein Abbild der Vergangenheit, doch auch der Typus des Familienunternehmers, des gütigen Bauerns, der seine Knechte gut behandelt, wird in Deutschland noch gepflegt. Hier sieht Erdogan seine Verbündeten in der Wirtschaft, denn wirtschaftlicher Aufschwung geht steht stets vor militärischen Siegen. Die Einbindung in die Nato ist eigentlich das Einzige, was Erdogan davon abhält, in Syrien oder im kurdischen Irak selbst militärisch einzugreifen.
Absurd und zynisch komisch ist es zu sehen, wie Erdogan seine innere Leere versucht zu füllen. Er sucht nach Wiederkehr seiner eigenen Größe in der Geschichte. Die Türkei war ewig nicht mehr groß und ein Staat, vor dem die Welt Respekt haben mußte. Er muss zurückgehen bis ins 15te Jahrhundert, der Zeit Süleymanns II. des Großen, um Größe und Stärke zu finden. Die Sultane, gleichsam auch religiöse Herrscher, dienen als Wiederkehr seiner eigenen Größe. Es ist, als wenn Hitler Größe in Friedrich dem II., in Bismarck oder Otto dem I. sucht. Oder gar Heinrich Himmler als Wiederkehr eines germanischen Halbgottes, eines Thors oder Wotans. Der Westen muss sich in acht nehmen, was weiter in der Türkei geschehen wird. Eine weltoffene, freie und demokratische Türkei, die autoritären Regimen abschwört, einen säkularisierten Islam bevorzugt und Meinungs- und Pressefreiheit wie andere Menschenrechte auch achtet, ist leider ferner denn je.
Zum besseren Verständnis hier noch einmal die Erklärungen zur autoritären Persönlichkeit durch Erich Fromm: