Der Intellektuelle ist ein freier Mensch, aber hat wenige Freunde. Er kultiviert die geistige Unabhängigkeit und meidet die Masse. Facebook und Whatsapp sind für ihn Schlingpflanzen, die ins geistige Gewächshaus hineinwachsen. Man kann schon einmal einsam werden, wenn man das so sieht. „Die Vernetzung aller mit allen ist die große Stunde des Konformismus“, schreibt Rüdiger Safranski. Goethe hingegen, an den er an dieser Stelle denkt, „machte es sich zum Grundsatz, nur so viel Welt in sich aufzunehmen, wie er auch verarbeiten konnte. Worauf er nicht irgendwie produktiv antworten konnte, das ging ihn nichts an, mit anderen Worten: Er konnte auch wunderbar ignorieren.“ Dies zu Goethe.
Auch die am Arbeitsmarkt gefragten Kompetenzen Multitasking und Teamarbeit sind nicht die Stärke des Intellektuellen. Daher scheidet auch die freie Wirtschaft als Arbeitgeber aus. Hier sind Intellektuelle nicht gesucht, sagen die Daten des Stellenportals Monster. Bundesweit kommt das Wort „intellektuell“ in Stellenanzeigen neunmal vor, sieben Stellen entfallen auf die Berater von PwC, eine auf das „dmc digital media center“, das Mitarbeitern „ein professionelles Arbeitsumfeld sowie intellektuell hoch anspruchsvolle Aufgaben“ bietet. Das Suchwort „flexibel“ (das soll heißen: angepasst, obrigkeitshörig und selbstausbeuterisch) ergibt mehr als 1000 Treffer, immerhin 468 Mal gesucht ist „teamfähig“. In der Wirtschaft fliegt er leider meist schon durchs Assessment Center, wenn er nach dem Sinn der Sache fragt oder die Personaler überheblich oder mitleidig anschaut. Durch die Wirtschafts- und Juraschulen kommt man am besten mit hohem formalen Leistungsethos und karrieristischen Netzwerksingenieurskünsten.
Auch das (Selbst-)Marketing liegt diesem armen Menschen, der hier grob idealtypisch dargestellt ist, nicht sehr. Konzerne können traurige Personen grundsätzlich nicht gebrauchen. Man muss Mitleid mit dem Intellektuellen bekommen. Bleibt aber die Selbständigkeit. Hier gibt es sehr gute Nachrichten. Mancher hat sich eine Existenz mit dem Verlegen eigener E-Books für jeweils 99 Cent aufgebaut. Als Redner sind freie Denker auch in Wirtschaftsunternehmen willkommen, sie treten immer gleich nach dem Streichorchester auf und bekommen eine ordentliche Gage. Sie dürfen hier durchaus etwas verrückt aussehen und provozieren, werden mit wohlwollendem Applaus verabschiedet, müssen sich dafür aber von anderen Intellektuellen als „Mietesel“ beschimpfen lassen.
Eingeladen wird auch nur, wer mindestens eine Professur innehat oder aus dem Fernsehen bekannt ist, mit einem Noname-Mann schmückt sich kein Unternehmen. Vielleicht ist das Publikum von den Intellektuellen nach Jahrzehnten, in denen die deutschen, moralisierenden Großdenker wie Günther Grass sehr präsent waren, noch immer genervt, und es kommen wieder andere Zeiten. Und bis dahin – was tun? Der Intellektuelle hat eine Allergie gegen die Uniform. Daher taugt auch das Militär nicht als Arbeitgeber. Bleibt eine Karriere als Leistungssportler, Pfarrer oder Staatsmann, nachdem mit Christian Wulff der letzte große Intellektuelle als Bundespräsident abgetreten ist. Eine gute Idee ist es auch, einen reichen Mann oder eine reiche Frau zu heiraten. Wer als junger Intellektueller gar die Lust am Leben verliert, kann an den jungen Karl Popper denken. Der machte eine Tischlerlehre und studierte Lehramt. Er nannte das die Flucht ins Praktische.