Jüngst hab ich mich mal wieder dabei ertappt, daß ich ein Rezept in diesem Blog meinen Lesern als “ganz einfach” beschrieb oder dass dies und das “etwas komplizierter sei”. Was soll man damit anfangen? Ist es eine Hilfe zu sagen, dass es keine Schwierigkeiten gibt? Kochen heißt, Dinge zu wagen. Alles andere ist unnützes Geblubber. Was dahinter steht, ist eher emotional. Ein Satz wie “es ist ganz leicht” von mir soll zur geteilten Begeisterung auffordern: Seht her, ich hab es geschafft! Freut Euch mit mir, denn wenn ich es kann, dann könnt es auch! Die Wahrheit ist aber eigentlich, dass es beim Kochen auf gutem Niveau nur wenige Dinge gibt, die wirklich schwierig sind. Ein komplexes Gericht eines 3 Sterne Koches zu imitieren, wenn Sie vorher ohne Rezept keine Bolognese Sauce herstellen konnten, ist natürlich ziemlich gewagt. Triolen und Melodien im 32tel Takt auf einer Violine zu spielen, das bekommt ja auch nicht jeder hin. Köche bedürfen schlicht der Übung, dann sind 95% aller Gerichte auch nicht schwer. Am besten ist natürlich, wenn man mit einem Könner gemeinsam kocht. Dann schaut man es sich am besten ab. Ich würde sogar soweit gehen und behaupten, dass ein gut geschriebenes Rezept von jedem nachvollzogen und damit nachgekocht werden kann. Bis auf ein paar Kleinigkeiten eben. Ich kam in meiner Aufzählung zu 12 schwierigen Themen, die sich nie in Luft auflösen.
12 Hürden für den passablen Koch
1.) Emulsionen: Eine Mayonnaise oder Sauce Hollandaise selber rühren geht oft schief. Falsche Temperatur der beiden Mischstoffe ist oft des Rätsels Lösung. Trotzdem braucht man hier Übung und muss sich sklavisch an das Rezept halten – die zu aller Ärgernis auch noch oft falsch sind.
2.) Komplexe Menüfolgen: Sie sind vor allem ein logistisches Problem in unseren eher kleinen Haushaltsküchen. Wer hat schon meterweise Zubereitungsflächen? Wärmelampen? Argonbefüller? Mehr als einen Herd? Weniger als 4 Backöfen? Wer zu Hause kocht, muss planen und improvisieren. manche Rezepte sind auch so komplex, dass sie sich zum nachkochen im Haushalt auch nicht eine eignen. Joachim Wißler zum Beispiel hält seine Rezepte für den Privatgebrauch als ungeeignet. Nicht, weil man sie zu Hause nicht kochen kann, sondern weil der Aufwand jedes vertretbare Maß übersteigt. 4 Gänge mit Amouse Geule ist oft das allerhöchste der Gefühle. Wenn aber jedes Gericht aus einzelnen Komponenten besteht, ist bei 3 Gängen oft schon Schluss, mehr kann ein einzelner Koch, ob Amateur oder Profi, alleine kaum schaffen. Mehrere eingespielte Hobbyköche könnten dagegen so etwas dann auf Sterne Niveau zustande bringen, wenn sie denn in der Küche Platz finden und wenn sie nicht schon einen Tag für den Erwerb der Zutaten verschwendet hätten!
Ansonsten heisst es unter 3 Sternen trotzdem: Reihenfolge der Prozesse im Überblick halten, was zuerst, was zwischenlagern, was vorbereiten, was lässt sich warmstellen und wo? Das muss man alles vorher abschätzen und planen, es ist eigentlich schon klassisches Projektmanagement. Jede Menge parallele Arbeitsschritte muss man unterbringen, da stellt sich schon mal Hektik ein. Das Chaos entsteht schnell, wenn irgendwas schief geht – einfach mal die Herdplatte zu hoch gestellt und dann vergessen. Das kann viel durcheinander bringen. Oft genug sind in der Hektik der letzten Sekunden die Aromen versaut, weil die Pipeline stockte beim herausgeben oder die Ehefrau das eindecken des Tisches mit den Gästen verquatscht hatte (passiert uns oft). Dann hat man oft nur noch die Wahl zwischen Pest und Cholera: Länger warmstellen oder unabgeschmeckt auf die Teller knallen. Hier hilft nur eines: vorher hinsetzen, ausgiebig planen, Platz im Kühlschrank, schnelles wegschaufeln in die Spülmaschine und vorgewärmte Teller. Und ein Partner, der die Gäste während der Wartezeit in guten Gesprächen fesselt.
3.) Fisch filettieren: Die Schwierigkeiten beginnen hier schlicht mit dem falschen Messer und der fehlenden Geduld. Natürlich braucht es ein Filettiermesser, Kenntnisse der Anatomie und eben Geduld.
4.) Unter Zeitdruck kochen: mit fehlender Zeit bedeutet in der Regel, zu spät zu beginnen. Oder einfach wenig Zeit zu haben. Das geht Profis ja genauso wie Amateuren. Induktionsherd und Dampfgarer sollen es dann zu Hause mit Power rausreissen, was man vorher verschlafen hat. Besser ist es, sich zu beschränken, Rezepte zu vereinfachen und nicht zuviel zu erwarten. 3 Sterne Köche bringen Ihre Gerichte mit einem ganzen Team auf den Teller. Das wollen Sie mit einer Person schaffen? Unmöglich! Was bei einigen Zutaten noch klappt (Nudeln kochen), ist für Saucen und Fleisch jeder Art oft der Tod. Ruhezeiten, gute Garzeiten machen spürbar viel aus beim Endprodukt. Das lässt sich nicht beschleunigen! Was dagegen immer schnell geht in der Küche bei gleichbleibender Qualität: Butterbrot und Salat. Oder Gemüse im Schnellkochtopf. Aber was heißt das schon? Jeden Tag Salat? Nein, wie jeder guter Projektmanager ist die erste Etappe, die Planungsstufe, die Wichtigste. Was ist Ihr Ziel? Und was ist auch realistisch? Dann die Prozesse planen, durchdenken und abschätzen. Man kann durchaus die meissten Herde zuverlässig programmieren und sanftes Schmoren Stunden vorher beginnen lassen. Man guckt ja eh oft nur zu, wenn die Wärme im Herd oder in der Pfanne Ihren Job macht. Und diese Prozesse lassen sich immer nur auf Kosten des Geschmacks beschleunigen, gerade Schmorgerichte gewinnen mit der Präparationsdauer hinzu.
5.) Austern öffnen: ohne einen Metallhandschuh haben sich sicher sicher schon einige beim Öffnen verletzt. Nicht alle Muscheln sind auch so wunderbar geformt, dass man direkt den Schließmuskel treffen kann. Wer das erste Mal Austern macht für Gäste und es vorher noch nicht bei sich geübt hat, der stelle seinen Verbandskasten parat. In der Hektik entstehen die tiefsten Wunden…
6.) Küchenhygiene: Gerade für Männer heißt es hier aufpassen. irgendwo sind mehr Bakterien unterwegs als in der Küche, auch nicht am Rand ihrer Toilette. Alles von Geflügel und Fisch, auch besonders beider Eier (Roggen), mit viel Drang zur Hygiene behandeln! Wenn das Hähnchen seifig ist, dann liegt es an der Bakterienkruste, die sich in wenigen Tagen auch im Kühlschrank bildet. Es ist traurig, wenn Gastgeber und Gäste den späteren Abend mit Bauchweh verbringen müssen.
7.) Temperatur: Es ist für viele die grösste Herausforderung, wenn man zu Kochen beginnt: die richtige Temperatur. Vor allem deswegen, weil Amateure in der Küche sich nicht vorstellen können, wie wichtig das ist. Aber es ist wie in der Chemie! Mit der richtigen Arbeitstemperatur gelingen Verbindungen, wenn die Temperatur zu hoch und zu niedrig ist, dann passiert nichts oder ist alles hinüber. Es gibt zwei Extreme, die man meiden muss: Zu heiss und zu kalt. Ist der Herd lahm und die Pfanne dick, dann schliesst sich beim Fleisch keine Pore während des Anbratens. Aber scharf Anbraten heißt, nie länger als 30 Sekunden, vielleicht eine Minute! Mit starker Hitze darf man nur eigentlich immer nur kurz arbeiten, auch beim Grillen. Danach immer Hitze wegnehmen, sonst wird dem Produkt zuviel Flüssigkeit genommen, ätherische Öle verdampfen, das Essen wird fad. Nicht nur Fleisch leidet, auch Gewürze können verbrennen. Es bleibt nichts als üben: man muss hier einfach das Gefühl entwicken, ob der Herd nach 3-5 Minuten die Pfanne ordentlich warm bekommt und ob man mit ⅔ der Drehreglerstellung arbeiten kann, ja vielleicht reichen schon 50%. Ausprobieren! Gerade bei Induktion sollte der Vorteil schnellen Erwärmens nicht wieder zu hoher Arbeitshitze geopfert werden. Zu kalt dagegen ist nur gut, wenn man Produkte später weiter benutzen will und ruhen lässt. Ein gutes Steak, dass nach dem Grillen ein paar Minuten ruht, hat seine Temperatur perfekt verteilt und schwitzt kaum noch Fleischsaft aus, wenn es angeschnitten wird. Und Ruhezeiten heißen trotzdem nicht, dass das Essen kalt wird. Zu heiß servieren ist eigentlich auch ein Fehler. Der Gast verbrennt sich doch nur! Und wenn das Essen warm ist, ist es aromatischer, als wenn es dampft und kocht!
8.) Einkauf: Wer als Koch keine guten Zutaten hat, kann zwar etwas genießbares kochen, aber kann daraus nichts machen, was besser schmeckt als das, was diese zur Grundlage liefern. nicht immer ist der Wochenmarkt der Weisheit letzter Schluss. Das Gemüse kann bei Aldi schon mal frischer sein. Dagegen sind die meisten Fleischprodukte aus Turbomast in allen deutschen Supermarktketten bestenfalls befriedigend. Bei Fisch und Fleisch werde ich nur noch anderswo fündig. Nicht im Biosupermarkt, sondern im Delikatessenhandel oder Großmarkt. immer empfehlenswert ist das Frischeparadies, Handelshof oder Spezialisten. Es wird immer schwieriger, noch einen Metzger zu finden mit einem breiten Sortiment und viel Finesse in seinem Handwerk. Auch gute Bäcker werden nicht mehr. scheinbar für die Konzentration im Handel und der allgemeine Antrieb so größtmöglichen wirtschaftlichen Effizienz zu immer durchschnittlicheren Produkten zum niedrigsten Preis. Die immer gleiche Gemüseauswahl in den Supermärkten ist auch nicht gerade ein Quell der Inspiration. Es hilft nichts, man muss seinen besten Lieferanten in der Region suchen und pflegen. vielleicht haben Sie einen tollen Hofladen in der Nähe, vielleicht macht der Edeka vor Ort das beste Geflügel. Ein frei laufendes Huhn schmeckt besser und ist auch einfacher zu kochen, es hat starke Knochen, noch Fett in der flexiblen Haut und einfach die richtige Muskelkonsistenz. Es kostet dann statt 2,90 € sagen wir mal zwölf Euro. Doch wird am Schluss klar, dass es das auch wert war. Ich weiß nicht wo in Ihrer Nähe der beste Lieferant für Freilandhühner ist, aber sie müssen ihn suchen und sie werden ihn auch finden. Übrigens sind Fleischlieferanten aus dem Internet erstaunlich gut; die liefern bekanntlich überall hin und haben findige Lösungen für die Transportverpackung gefunden.
9.) Patissier oder Saucier: ich kenne einige Köche, die die ganze Klaviatur gekochter Gerichte beherrschen. Aber Sie bringen nicht ein gescheites Dessert zu Stande. Jahrhundertkoch Witzigmann hat immer wieder Schüler Lafer gelobt als seinen vielleicht Besten. Warum? Na, weil der etwas konnte, was Witzigmann ergänzte: Lafer konnte im Gegensatz zu Witzigmann unglaublich verlässlich hochwertigste Süßspeisen und Kuchen zaubern, ein Patissier vor dem Herrn. Ich bin kein großer Freund des Backens, Torten zaubern interessiert mich einfach nicht so sehr. Ein guter Koch muss aber in beidem reüssieren können. Ehrlicherweise sollte man sich auf das fokussieren, wo das Interesse und oft Talent liegt und sich für alles Andere verlässliche Hilfe suchen.
10.) Blätterteig: Blätterteig selber herstellen zu wollen bedarf der Kunstfertigkeit des Konditors. Ich stehe immer wieder vor Schwierigkeiten, wenn ich es fertig bringen soll und kaufe ihn vorbereitet. Es können einem auch wenige vermitteln, was das Geheimnis ist bzw. welche typischen Fehler man vermeiden muss.
11.) Pizza: natürlich kriegt jeder sowas hin wie eine Pizza. Aber oft sind dies mehr oder weniger Gemüsekuchen oder Tartines /Tartes mit zu dickem Hefeteig oder Mürbeteig. Aber eine ideale, dünne italienische Pizza so zu machen, wie sie der beste Italiener der Stadt hin bekommt in seinem Steinofen, das ist sehr schwer zu erreichen. Die richtige Teigkonsistenz und das richtige Handling, das braucht viel Übung. Wer mit einem Ergebnis leben kann, wie es Dr. Oetker zustandebringt, der versteht wahrscheinlich gar nicht, was ich meine oder aber hat bislang in seinem Leben noch keine richtige italienische Pizza gehabt. Ich würde mal hingehen und behaupten, dass 90 % aller Pizzalieferdienste in Deutschland auch nicht wissen, was eine perfekte Pizza ist.
12.) Ihre persönliches Hürde: Jeder Koch hat seine Stärken und Schwächen. Irgendetwas vertracktes aber gibt es immer, was sie aus einem bestimmten Grund nicht hinbekommen. Weil sie eine falsche Vorstellung davon haben oder einen schlechten Lehrer hatten. Oder das Werkzeug nicht richtig bedienen können. Ich habe es beispielsweise Monate lang nicht hinbekommen, einen gescheiten Espresso zu machen. Trotz teurem Siebträgers und guter Mühle. Mir blieb nichts anderes als einen kleinen Baristakurs zu machen. Mein Fehler war ganz simpel und schnell behoben, ich hatte Maschinendruck und Dampfdruck auf dem Siebträger gleichgesetzt. Nun zeigt meine Maschine beim brühen 11 bar an und erreicht damit die gewünschten 9 bar am Siebträger. Muss man halt wissen! Vorher fehlten mir also schlicht 2 bar und waren mit keiner Mühleneinstellung auszugleichen. Wieviele Espressi in den Lokus gingen, nur deswegen! Sie werden auch irgend so einen kleinen Fehler haben, den Sie mit sich rum schleppen. Deswegen ist es als Koch auch wichtig, immer wieder zu üben. Und das bedeutet, auch die Grundlagen stets zu hinterfragen. Es gibt keinen perfekten Koch, genauso wie die Inspiration niemals aufhört. Deswegen gibt es eigentlich nur Übende und länger Übende, aber niemals hat man ausgelernt.
Sous Vide, Molekularküche, etc., das sind nicht die schweren Themen. Sie erschliessen sich, wenn man die Grundlagen, sagen wir hintergründig biochemischer Natur, in den ersten Monaten des Kochens verstehen gelernt hat. Das kann man dann erklären, oder man kann sagen, dass man es nun “im Gefühl hat”. Jeder kann eigentlich gut kochen, macht also so ca. 90% aller Dinge richtig und kann durchaus lecker kochen. Es sind immer die letzten exponentiell schwieriger werdenden 10 %, die den feinen Unterschied für den Gourmet ausmachen. Um dahin zu gelangen und sich dort zu verbessern, da hilft nur üben, üben, üben und wohl ein gewisses Talent. Ich glaube, Talent beim Kochen ist nicht Geschicklichkeit, sondern die Fähigkeit von Nase und Zunge Aromen zu erkennen und zu erinnern. Wer diese Aromen dann auch gezielt erzeugen kann, der kann einen Koch werden, der die Menschen glücklich macht. Was kann man mehr erreichen als Koch?
Fleisch hat keine Poren