buzZas Kochstudio No. 71: Lutsch dem Ochsen seinen Schwanz!

Schon mal von “Nose to tail-Eating” gehört?

Neuer Trend, der besagt: Wenn Du Respekt vor der Kreatur hast, dann esse sie auch ganz!

Wirf nichts weg, alles ist kochbar und jedes Stück vom Tier etwas Besonderes.

Der illustre und gelegentlich etwas Portwein geschwängerte Fergus Henderson, Koch des St. John Restaurants in London, hat das Konzept prominent gemacht. Oder sein Restaurant hat ihn bekannt gemacht, weil er schon immer so kochte. “Nose to Tail” passt ziemlich gut ins aktuelle Ernährungsklima, wo Vegetarier immer mehr Raum in der Diskussion gewinnen, teils unterstützt von überideologisierten Veganern. Befeurt wird das ganze von den regelmäßig wiederkehrenden Skandalen der industriellen Tierhaltung. Das Dogma ist ein wenig a la “wer schon sündigt und Tiere tötet, der soll es mit Respekt tun”. Eigentlich macht es keinen Sinn, höchstens in dem Sinne, dass man nichts verschwendet, dass der Tod nicht umsonst sein darf. Fergus Henderson hat sein Konzept nie philosophisch-ethisch durchdacht, es war für ihn selbstverständlich Innereien zu machen oder den Kopf zu kochen. Er sagt, es sei doch höflich, dem Tier gegenüber. Geschlachtet wird das Tier ja so oder so, warum also nicht auch alles verwenden? Vor allem, wenn es köstlich ist? Natürlich soll man das, als Gourmand ja ist das erste Genußpflicht!

Mich treibt beim Kochen ebenfalls nicht das schlechte Gewissen, sondern die Neugier an. Wie schmeckt etwas? Und taugt es was für den Feinschmecker? Erstaunlicherweise scheinen die verschmähten Teile des gemeinen Konsumenten wie Haxe, Schwanz, Bäckchen, etc. die geschmacklich komplexesten zu sein: Viele Aromen, dichte Textur, wirklich dichter, reichhaltiger Geschmack! Wieso haben sich denn bei uns Konsumenten die geschmacklich neutraleren Teile wie Brustfleisch, Bug, Keulen, etc. durchgesetzt? Ein Rätsel. Ochsenschwanz ist sehr günstig, 1,-€ pro 100 g ist wirklich ein Geschenk, das man nicht ausschlagen darf! Zugegeben, Schweinefüsse sind auch für mich grenzwertig. In Spanien haben findige Köche daraus was Interessantes gemacht, das Kollagen bringt die Zunge zum Schnalzen. So ganz ist es aber nicht meins. Innereien wie Hirn dagegen sind für mich von vornherein Tabu – geht mir einfach nicht in den Kopf. Auch Geschlechtsteile essen, Löwenhoden oder Amselzungen, nein Danke. Schweinskopf a la Henderson muss es ja auch nicht sein. Aber Ochsenschwanz? Aber klar! Das braucht zwar etwas neugierige und offene Gäste,sicher lässt nicht jeder sich zum Schwanze überreden. Ich hab es mit einem Haudrauf versucht: “Kommt zum Essen, morgen dürft Ihr ordentlich am Schwanz lutschen!” Außer meinem Spruch ist aber am Schwanz nichts ekeliges: Überraschend viel Muskelfleisch, Knochen und Bindegewebe mit Fett. Was ist daran ekelig? Ach komm, Ihr Frauen, die ihr Euch vor Fett ekelt! Ich weiß, es gibt Euch zu oft, aber Fett ist ein Geschmacksträger! Also Augen verschließen und probieren, ihr werdet es nicht bereuen! Glückliche Esser zeichnet doch Schönheit von Innen aus!

Von meinem Lieblingsblog “Anonyme Köche” kam das Rezept für den Ochsenschwanz. Ich habe mir auch Alternativen angeschaut. Cornelia Poletto hat beispielsweise eine Variante, wo der Schwanz erstmal einen Tag lang in eine Rotweinmarinade mit Kräutern eingelegt wird. Das macht das Fleisch schön rot, aber eigentlich finde ich das unsinnig. Was soll roher Fenchel oder das Mirepoix denn darin tun? Um die Geschmacksstoffe zu lösen, braucht es einen chemischen Prozess – also ohne Hitze kommt so nichts in Gang, Frau Poletto?!? Vielleicht mal wieder ein Fehler im Lektorat, man weiß es nicht.

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Ochsenschwanz muß man bei den meisten Metzgern bestellen. Ich hatte Glück, bei mir gibt es die Stücke immer vorrätig. Köln ist eben doch nicht am Arsch der Gourmetwelt! Nachdem Ihr die Stücke pariert habt, mehlen und in Butterschmalz anrösten. Ich hoffe sehr, Euer Metzger hat den Schwanz bereits zerlegt, denn sonst heißt es jetzt Axt raus! Schön Röstaromen im Bräter entstehen lassen, nicht mit der Temperatur knapsen! Die Maillard-Reaktion kommt ohne Hitze nicht in Gang, wißt Ihr ja. Schwanzstücke dann entnehmen und dem Bräter nur überflüssiges Öl entnehmen. Die Röststoffe benutzen wir natürlich weiter.

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Gebt jetzt Tomatenmark und in meinem Falle noch Puderzucker hinzu. Zwiebel, Knoblauch und Mire-poix hinzufügen. Ebenfalls anrösten. Dann mit einem Liter kräftigem Rotweins aufgiessen. Lorbeerblatt hinzugeben und Ochsenschwanzstücke wieder einlegen. Kurz aufkochen und dann bei 90 Grad zwischen 3-4 Stunden lang simmern lassen. Was für ein einfaches Kochen, man muß weder genau sein, noch auf die Ästhetik achten und Gemüse nur ganz grob schneiden. Es geht wirklich zügig von Statten. Es ist wichtig, die Temperatur nicht zu hoch zu drehen, sonst werden die Bindegewebe nicht schön weich. Ihr werdet sehen, das Fleisch ist nach 3 Stunden butterzart!

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Im Bild übrigens mein super Thermometer, das GTH 1150 von Greisinger. Misst wirklich in einer Sekunde die Temperatur super akkurat. Die dünne Messnadel sticht sich wie von selbst in jedes Fleisch ein und hinterlässt absolut keine Spuren. Hab ich mir beim Nils Henkel abgeguckt, der benutzt das schon länger. Bekommt man im Elektrofachhandel (Conrad & Co), wirklich eine lohnende Investition! Die anderen Thermometer haben super dicke Nadeln und brauchen einfach viel zu lange, um zu sagen, was Sache ist.

Weiter im Kontext: Kurz vor Schluß nehmen wir die Ochsenschwanzstücke wieder heraus. Die Sosse in ein Sieb abgiessen und im Bräter mit gut Hitze reduzieren. Eventuell salzen und pfeffern. Hmmm, das Aroma verteilt sich schon in der ganzen Wohnung! Claudio empfiehlt, nun das Fleisch vom Knochen zu trennen. Hab ich nicht gemacht, war ich faul. Denn erstens mal sieht so ein ganzes Schwanzstück nach viel aus, zweitens ist es einfach mit Messer und Gabel zu essen. Eins empfehle ich aber nicht: Wie ich es anfangs provokativ schrieb, sollte man die Knochen nicht lutschen. Schmeckt zu sehr nach Kollagen, nicht so lecker. Sagt man den Gästen am besten gleich.

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Angerichtet hab ich den Ochsenschwanz mit Selleriepüree und einem kross gebratenen Segel von Tiroler Speck.

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Und wir hatten einen fantastischen Begleiter. 2006er sag ich nur, ein feiner Jahrgang! Wer Gäste hat, die sowas mitbringen, darf glücklich sein.

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Nächste Woche gibt’s dann sehr wahrscheinlich bei uns Kalbsbäckchen, ich bin schon jetzt gespannt darauf.

P.S. Christian Seiler hat mit Fergus Henderson jüngst ein schönes Interview geführt. Ganz amüsant zu lesen, clickt mal rein.