Der Herbst ist da. Mit diesem schönen Blick von unserem Balkon in Neuehrenfeld wurde uns klar, dass wir die warmen Tage hinter uns lassen werden. So golden sich der Herbst ankündigt, so war der Sommer doch noch für einen Hauch spürbar. Wenn das keine Inpsiration zum Kohcen ist. Somit war für mich bei diesem Anblick klar, welches Thema mein heutiges Dreigänge-Menü haben würde:
Au revoir Sommer, bienvenue Herbst!
Es sollte um den Übergang von warmen zu kalten Tagen gehen. Der Übergang von Einem zum Anderen – und das was dazwischen an reizvollen Kontrasten entstehen kann. Die Verbindung von reifer Frucht zum herbstlichem Schmorren. Von sonnengereifter Zitrusfrucht zu lagerfähigen Kartoffeln für die kalten Tage. Der Sommer nötigt uns stete Kühlung ab, im Herbst aber wollen wir Leib und Seele gerne mit kräftigeren Speisen wärmen. Es ist die Zeit, das beste, was im Sommer gereift hat, jetzt endlich zuzubereiten.
Für mein Goodbye auf den Sommer sollte es deswegen etwas Frisches geben. Kaltes aus Gemüse und dazu eine besondere Leckerei aus dem Meer. Meine ersten Ideen gingen in Richtung kaltem Sashimi vom Thunfisch und dazu wollte ich Fenchel zubereiten. Fenchel hat dieses interessante medizinische Note, etwas ähnlich wie Anis und schmeckt nach intensivem Grün, ohne als Knolle zu zwiebelig zu werden. Wie es aber manchmal so ist, kam ich zu spät an die Fischtheke, um noch Thunfisch zu erhalten. Ich ging viele Varianten im Kopf durch und wollte eigentlich nicht auf Garnele ausweichen. Ich hasse es, wenn die Garnelen aus Aquakultur kommen. Schlammige Pestizidwürmer kann man da züchten, aber doch keine Lebensmittel! Und dann hatte ich Glück, es gab tatsächlich tiefgefrorene Königskrabben aus dem indischen Ozean. Mit Käfigen gefischt und mit astreinem Herkunftsnachweis! Den Aufpreis dafür zahle ich gerne. Fehlte noch die Verbindung von knackigem Gemüse zur zarten Garnele. Da kam ich auf eine Melonen-Limetten-Sosse, die ich mal im Restaurant Sorgenfrei hatte. Wunderbar, alle Komponenten beisammen, das Ergebnis war:
Königskrabbe in Gewürzbutter mit Melonen-Limetten-Sosse zu hauchdünnem Fenchel!
Ein paar kleine Schwierigkeiten machte zunächst die Sosse, darüber kläre ich Euch aber detailliert im Rezept auf. Was wäre denn der passende Begleiter hierzu? Da mußte ich nicht lange überlegen, denn vom Kölner Sommelier Battle Part II kannte ich den Pinot Rosé Brut von Bernhard Huber. Der Pinot unterstützt mit stark meloniger Note und seinem trockenen Finish optimal dieses Gericht.
Das nächste Gericht mußte auch beim Metzger spontan entschieden werden. Eigentlich hatte ich Kalbsbäckchen auf dem Schirm, aber die waren aus! Zu dumm, schon einige Wochen sah ich die abgepackten Bäckchen immer wieder und wartete nur auf den richtigen Moment – es gab sie aber heute doch nicht mehr! Hmmm, Ochsenschwanz vielleicht? Auch alle! Dann vielleicht ein gereiftes Rib-Eye Steak? Geschnitten wird es am Samstag, pardon. Tja, was tun? Der Metzger riet mir zur Kalbshaxe. Vor einiger Zeit hatte ich ja schon meine Premiere mit diesem Gericht und das schlug wie Bombe ein. Da es aber noch handwerklich einiges zu üben galt, entschloss ich mich zur Wiederholung. Erweitert allerdings um einen besonderen Spieler, der mein Kartoffelpüree glatt explodieren lassen sollte: der Perigord-Trüffel! Voila, Hauptspeise damit auch klar:
Kalbshaxe a la “Anonyme Köche” mit getrüffeltem Kartoffelpüree und violetten Gewürzmöhren
Ich habe dieses Rezept Euch ja schon mal vorgestellt, zartes Fleisch voller Aroma und diese göttliche Sosse sind der Lohn der stundenlangen Schmorrerei! Deswegen möchte ich hier nur kurz die Verbesserungen zu meiner Premiere erwähnen: Ich habe diesmal deutlich mehr pariert, wodurch viel Ragout entstanden ist und der Knochen zur Hälfte freistand. Auch habe ich zusätzlich zum Honig etwas Trüffelbutter über die Haxe gepinselt, was dann im Backofen schön karamellisierte:
Ganz wichtig war auch, dass ich viel mehr Zärtlichkeit beim herausnehmen der Haxe aus dem Bräter bewiesen habe. So blieb das Fleisch auch am Knochen! Das war beim Servieren schon ein großes “Oho”, wenn man den ganzen Knochen auf den Tisch stellt. Kein Angst vorm starken Parieren, bei einer großen Haxe ist mehr als genug noch am Knochen vorhanden, so dass 4 Leute bequem satt werden. Den Großteil der Sättigung übernimmt meist ja eh das leckere Püree mit den Trüffeln. Apropos Trüffel: Ihr findet jetzt viel Sommertrüffel im Angebot, den Trüffel Ucinatum. Der ist einiges günstiger als der Perigord-Trüffel, schmeckt aber leider auch fast nach nichts – er ist wirklich deutlich weniger intensiv und ginge bei diesem Gericht einfach unter. Also, entweder Perigord-Trüffel oder besser drauf verzichten!
Der Begleiter? Nachdem jüngst Blauburgunder bei uns so auftrumpfen konnten, haben wir uns für ein der besten Tiroler Pinot Nero entschieden, den Hofstätter Riserva Mazon von 2011. Ganz, ganz feines Gesöff, sehr leicht, ohne den Tiefgang vermissen zu lassen. Eine tolle Rebe, ein toller Wein!
Für das Dessert war ja klar, dass auch da noch Trüffel rein sollte. Ich habe ein Rezept von Annik Wecker hierfür etwas modifiziert, dass den Pilz schon im Namen trug. Ihre Rezepte sind sehr klar, durchdacht und ergeben sehr leckere Kreationen, die modern und gleichsam gelingsicher sind. Voila, hier ist es:
Trüffel-Himbeer-Kompott mit Crumble
Auch hierzu mußte ein schlagkräftiger Begleiter her, eine Überraschung. Und wieder konnte ich auf den Tipp von Noreen Rudolph vom Kölner Weinkeller zurückgreifen. Auf den Ürziger Würzgarten, Riesling 2003er Auslese von Merkelbach. Ein Traum von einem Dessertwein! Ich habe lange Jahre weder Dessert noch den Dessertwein für meine Gäste für wichtig gehalten, es gab gerne mal Eis, einen Averna und dann vielleicht den Espresso. Aber für Süssweine reichte der Horizont nicht – das hat sich mit diesem Wein schlagartig geändert, den es auch noch für ganz kleines Geld gibt:
Ich finde, wir haben den Sommer damit ultimativ gut verabschiedet und mit Trüffel einen herbstlichen Paradepilz hereingelassen, der zeigt, dass alle Jahreszeiten etwas besonderes zu bieten haben.
Bevor wir zum Finish dieses Postings gehen, eine
Revue en passant
Es ist auch mal Zeit etwas die letzten Wochen und all die ganzen tollen Menüs Revue passieren zu lassen. Wie hat sich meine Kocherei in diesem Sommer denn so entwickelt? Seit unserem Urlaub in Tirol hat mich das Kochfieber intensiver denn je gepackt. Mein Freund Jörg in Lugano hat mir quasi die moralische Freigabe erteilt: Warum schlecht essen? Warum nicht jeden Tag frisch? Warum nicht maximal gut? Darauf gab es keine gute Antwort. Vom Sparen kann man sich auch im Himmel nichts kaufen. Der Himmel, der gehört auf Erden! Als ich dann aus dem Urlaub wiederkam, habe ich das sofort mit einem einfachen, aber sauguten Gericht in die Tat umgesetzt: Spaghetti Vongole. Das war der Anfang zum leckeren, zum Besseren! Zum besseren Leben!
Ich habe nach diesem Genuß den persönlichen Wunsch gefaßt, mich beim Herstellung von gutem Essen deutlich zu verbessern. Einfach um des Genußes und des guten Lebens Willen! Warum schlecht essen? Und wozu hat der Mensch seine Bildung, wenn er damit nicht mal gescheit kochen kann? Warum meinen Liebsten einen industriellen Tütenrotz vorsetzen, bei dem ich nur schlechtes Gewissen habe? Warum Allergien riskieren und sich das Essen von anderen versalzen zu lassen? Genauso könnte man ja das Ziel haben, schlecht zu leben. Letzteres muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen! Ich war vor Jahren mal schwer krank und schon damals war mir imminent klar, wie wichtig es ist, das Leben im Jetzt zu leben. Wieviele leben im Gestern und in de Zukunft? Plagen sich, damit Ihr Leben irgendwann mal frei von Sorge und Last ist? Essen ist ein wunderbares Erleben im JETZT.
Schauen Sie sich das mal mit Epikurs Brille an: Verzichten, um dafür mehr Geld zu besitzen? Verzichten, um sich ein teureres Haus oder exklusiveres Auto zu kaufen? Es braucht schon die menschenfeindliche Philosophie der Puritaner, wenn man auf gutes Essen verzichten will. Es gibt keine gute Begründung, außer man kann es sich wirklich nicht anders leisten. Das gute Essen können sich aber in unserem Lande wirklich fast alle leisten, die nicht auf fremde Hilfe angewiesen sind: Und wenn sie es denn wirklich wollen! Und dafür bereit sind, bei Ihrem nächsten Neuwagen vielleicht die Massagesitze aus der Sonderausstattungsliste ersatzlos zu streichen. Unser Land ist schon verrückt, es ist eben kein Vorurteil: Für Wartung und Unterhalt des Pkws geht in diesem Land mehr Geld drauf als für die Nahrungsmittel, die im eigenen Körper landen. In Deutschland sind Lebensmittel unbedenklich und von guter Qualität heißt es. Ich würde sagen, sie sind sicher nicht gesundheitsschädlich. Aber sie sind allerhöchstens mittelmäßig gut, wenn auch zu einem wirklich niedrigen Preis. Wer mal in einem Supermarkt in England oder gar der Schweiz unterwegs war, weiß, wie mäßig unsere Lebensmittel in den großen Ketten sind. Es ist leider ein Graus, aus dem man nur schwer entkommen kann. Aber es gibt Auswege, wenn man sie einfach nur mal sucht.
Gutes Essen ist ein ganz direkter Beitrag zum glücklicheren Leben. Ganz einfach und direkt! Und gutes Essen ist niemals gleichsam sündigen – gutes Essen verdaut sich gut, ist nicht fetter als schlechte Ernährung (im Gegenteil!) und abwechslungsreicher, hochwertiger für den Körper. Wer mit der eigenen, feinen Zunge seine Lebensmittel auswählen kann, der wird nur gute Lebensmittel wählen. Ich wollte selbst sowohl im Geschmack als auch in der Konstanz dauerhaft anspruchsvoller kochen lernen. Einfach eine ganze Liga besser als der Durchschnitt. Dass die Gerichte und Menüs dabei sehr aufwendig wurden, ist mehr meiner Experimentierlust geschuldet. Natürlich kann man auch einfache Dinge schlicht gut machen und ist danach genauso befriedigt. Aber besondere Herausforderungen befriedigen eben auch ganz anders!
Ich darf selbst mir das Urteil erlauben, dass ich schon einige Fortschritte dabei gemacht habe. Der wichtigste Schritt war vielleicht die Zutatenqualität stark zu erhöhen. Die durchschnittlichen Lebensmittel der deutschen Supermärkte, ob Discount oder nicht, können einfach keine großartigen Ergebnisse bringen. Damit meine ich nicht, dass ich jetzt nur noch Kaviar und Trüffel verwende, sondern dass ich einfach keine mäßigen Lebensmittel verwende. Vor allem benutze ich nur noch sehr gutes Fleisch und sehr guten Fisch – das lässt sich schlicht in unseren großen Supermarktketten nicht erwerben. Bei Großhändlern wie dem Handelshof ist die Qualität das spürbar besser. Der nächste Schritt ist natürlich, Lebensmittel beim Erzeuger zu erwerben. Aber dafür werde ich noch einige Zeit brauchen, bis ich meine Lieblingslieferanten identifiziert habe
Das ging ins Budget, aber auch nicht so stark, wie man meint, vielleicht 20-30% mehr an Ausgaben waren nötig. Dafür sind es auch besondere Lebensmittel und eine viel breitere Auswahl an Gemüsen, Kräutern und Würzen. Klar, dass ich auch das Thema Wein angefaßt habe und da braucht es etwas Nachhilfe aus Literatur und von guten Sommeliers. Auch da muß man einfach sagen, dass man auch mehr investieren sollte. Ich werde hier nicht rumheucheln wie Tim Mälzer oder Jamie Oliver, die für 5,-€ die Schulküche auf ein neues Niveau heben wollen. Das ist Bullshit! Die richtige Frage ist, warum uns unsere Kinder nur 5,-€ pro Mahlzeit wert sind! Und wenn wir von sozialer Gerechtigkeit reden, dann sollten wir auch konsequent weiter denken: Es ist besser, den Kindern in öffentlichen Einrichtungen allen gleich gutes Essen zu servieren, als Geld umzuverteilen, von dem dann die arme Familie lieber den großen Fernseher als das bessere Essen wählt.
Ich bin ab vom Thema gekommen. Ich wollte mich damit nur selbst bestätigen: Ich bin auf dem richtigen Wege und ich bin gespannt, wohin mich das Abenteuer Kochen noch so führen wird. Bleiben Sie mir gewogen und schauen wir mal, ob sie mit diesen Inspirationen selber etwas anfangen wollen.
Bon Appetit!