Sommelier Battle III – Kampf um Persönlichkeit

Lalama Dominio do Bibei aus Ribeira Sacra

Köln an einem warmen Septemberabend. Am Dom läutet der dicke Pitter ein letztes Mal, das Rauschen der Züge am Hauptbahnhof verliert sich in einem letzten, eisigen Schienengeklacker. Das Horn der Köln-Düsseldorfer Ausflugsdampfer krächzt mehr, als dass es den Rhein hinunter posaunt.

Wo ich mich noch vor Minuten im hektischen Gewusel der Bahnhofshalle befand, löste sich die gackernd gestresste Menschentraube am Breslauer Platz endlich auf. Die Fritteusenluft des Reibekuchenstands hat man noch in der Nase, da zieht der Wind schon kräftig frische Luft durch die Johannisstrasse.

Umschalten bitte! Ruhe, Klarheit, ankommen. Jetzt bitte Konzentration. Fokus. Denn das ist hier kein Abend für Romantik. Es ist Zeit für ein Duell. High Noon. Spam Peckinpah. Clint Eastwood. Ein echter Shoot-Out steht an im “Wein am Rhein“.

Die Halbgötter rufen mich, denn es ist nicht einfach nur ein Duell. Es ist eine Schlacht. Eine Schlacht der Worte, des Charmes, des Geistes, der Traditionen und der Kultur. Und zu allererst eine wunderbare Schlacht des Weins und der Speisen, die mir bevorstehen. Es ist wieder Sommelier Battle! Kampf um Persönlichkeit nenne ich dass, weil dies so spürbar war an diesem Abend. Denn den Kontrahenten ging es um authentische Geschichten, um die Persönlichkeit des Weins, seinen Charakter.

Jetzt bereits zum dritten Mal kämpft die sprühend kreative Noreen Rudolph vom Kölner Weinkeller nonchalant gegen die kantige Weinmacht vom Wein am Rhein, Sommelier Melanie Panitzke. Ich war zum zweiten Mal Gast, schrieb ja bereits enthusiastisch über Sommelier Battle II – Deutschland vs. Österreich. Keine Frage, dass Programm versprach viel.

Aber Moment, kurz sollte ich beschreiben, was die Idee des Battles ist: 2 Sommeliers kämpfen mit Weinen Ihres jeweiligen Landes um die Gunst der Gäste. Dies indem Sie Ihre Gäste davon zu überzeugen suchen, die jeweilig besseren Weine zu wählen. Dazu braucht es nicht nur viel Trinkerfahrung und Wissen auf der Zunge; um allein aus der Auswahl des passenden Weines zur Speise zu glänzen, braucht es Vorstellungsvermögen und Kreativität als auch Sensibilität. Am Ende kann der Sieger dann heißen: Spanien oder Italien oder im besten Falle: Der Wein gewinnt, denn seine einzigartige Individualität verbietet eigentlich klare Sieger und Rangfolgen. Und der Gast ist bei diesem Battle ganz besonders verwöhnt, denn der Geist des Trinkers will sich ja laben: An schönen Sprachbildern, an Hintergrundwissen, an netten Anekdoten. Ein Battle der Worte steht hier an, sicher nicht mit Hieb- und Stichwaffen. Als Gast darf man sich also bestens unterhalten zurücklehnen – es darf sich unterhalten werden, aber bitte mit Niveau! Was ist dazu besser geeignet als Wein, denn Wein ist immer auch eine Geschichte von Produzent, Region, Philosophie und dem größtmöglichen Anspruch, wunderbar zu scheitern. Da geht der Stoff nie aus! Und wenn man die großen Bogen schlägt darüber, wie die Persönlichkeit eines Winzers oder seiner Terroirs sich in der Flasche respektive im Glas des Konsumenten wiederfindet, dann ist dass eine besonders schöne Geschichte, bei der Geist und Körper gleichermassen gut gelaunt sein dürfen.

Ein trickreiches Unterfangen ist natürlich der Battle, wenn man ins Detail geht: Perfektion ist beim Wein wie beim Kochen eigentlich unerreichbar; doch es gibt die schönsten Spielarten davon, wie man diesem dann doch nahe kommen kann. Tagesformabhängig und zu jedem Gericht brilliert dann aber selbst der beste Einzelspieler auf dem Teller eventuell doch nicht mit der richtig gewählten Traube. Was für Profis oder diejenigen, die dass seit Kindertagen gelernt haben (wozu ich nicht gehöre). Für Anfänger ist es so manchmal ein Graus: Da versucht man (oder Frau)(nur halbwissend) Riesling zum Zander zu kredenzen, doch dann ist der Zander zu würzig und der Riesling zu süsslich. Ja natürlich, weil man dann doch wieder ungenau Kabinett Trocken und Spätlese planlos durcheinander gewürfelt hat, Du alter Pilstrinker!

Man muss also den Charakter beider kennen, sowohl von dominierendem Aroma auf dem Teller als auch von dem im Glas. Und auch dann ist nichts entschieden. Die Spielfelder sind immer noch unendlich kreativ und abwechslungsreich spielbar: Will ich aromatisch kontrastieren oder harmonieren? Will ich dem Süssen was Saures entgegen setzen? Die reine Aromenlehre harmonieren lassen, traditionelle Geschmacksaccorde bedienen oder mal was ganz Wildes tun? Etwa kantige Einzelaromen in einem Potpourri aneinanderreihen, obwohl jedes Kraut oder Obst für sich eigentlich niemanden neben sich duldet? Das Spiel kann immer verschieden gespielt werden und ob es am Ende beim Gast ankommt, ist eine Wissenschaft für sich bzw. ein Beruf. Sommelier ist kein einfacher, aber ein schöner Beruf.

Ja, die Komposition auch an diesem Abend ähnelt großer Musik: Berühmte Einzelspieler versagen, wenn Sie sich nicht mit der richtigen Begleitung vereinen. Und was der erfahrenen Zunge ein “Aha, wow!” abverlangt, ist für den geschmacklich weniger ambitionierten Gast eher ein intensives Drama. Eins ist sicher, beim Wein am Rhein wird auf Anfänger wenig Rücksicht genommen, hier wollen Leute mit feinem Geschmack neue Horizonte erleben, auch wenn man jeden willkommen heißt, der seine Zunge bilden will.

Norren Rudolph und Melanie Panitzke

Noreen Rudolph und Melanie Panitzke

Da Melanie Panitzke an diesem Abend selbstbewußt Italien für sich kaperte, musste Noreen Rudolph sich für Spanien ganz schön was einfallen lassen. Spanien ist mengenmäßig ein gigantischer Produzent, doch mit der Klasse harpert es schon mal, wenn man das Gros der Produktion besieht. In ihrer gefühlten Aussenseiterrolle hat Noreen aber strategisch klug reagiert: Statt auf Bodegaweine von rohem Temperament zu setzen, deren Intensität vielleicht geeignet ist kräftig frittierte Sardinentapa wegzuspülen, hat sie sich für die klugen Innovatoren im spanischen Wein entschieden. Das Besondere auswählen, das unbekannte, insbesondere aus dem interessanten Norden Spaniens. Mutig, doch nicht ohne Risiko, waren die Karten ansonsten für Spanien auch wirklich schwer erfolgreich zu legen. Rudolph war klar: wenn ich strategisch überraschend vorlaufe, kann ich am abend mit der richtigen Unterstützung der Küche vielleicht taktisch überraschen. Derartiger Mut und Geschick imponierte allen Zuschauern, die sich in der Arena der Weinkultur verwöhnen lassen durften. Melanie dagegen wußte, dass sie nicht verkrampfen musste: Ein Griff in die Edelgüter dieser Welt und der Horizont des Gastes, der von Noreen noch leicht erschüttert wurde, ist wieder gerade. Kein leichtes Brot für Spanien!

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Was für den Wein galt, galt auch für die Küche, die ich mal an dieser Stelle mit der großen Lubhudelei bedenken möchte. In kaum einem Restaurant in Köln ist das Team rund um Sebastian Mattis so in der Lage, das Essen auf die Weine abzustimmen und auch andersrum durch Panitzke vom Essen zum Wein zu gelangen. Einerseits funkeln die Gerichte schon mit einfachem Wässerchen, doch die Sternstunden entstehen, wenn die Kombination mit Wein gewählt wird. Präzise und gut kochen ist für jeden Koch das eine, aber in der Hektik eines Küchenbetriebes noch vor Augen zu haben, welches Aroma sich von welchem Wein begleiten lässt, dass geht nur dann, wenn Sommelier und Koch auf Augenhöhe miteinander reden und sich gemeinsam entwickeln. Ich weiß nicht, ob Inhaber Werner Bouhs ein leichtes Brot hat, um beide dazu zu bringen miteinander zu arbeiten oder aber ob er da schlicht ein feines Händchen in der Auswahl hatte – am Ende überzeugt mich einfach das Ergebnis in diesem auch ästhetisch schönen wie wertig gestaltetem Restaurant. Ich möchte keine Namen nennen, wer von den besternten Häuptern in Köln und Umgebung da mittlerweile im Vergleich gnadenlos abfällt, doch es wundert mich schon sehr, wieviel Hirnschmalz, harte Arbeit und Experimentierfreunde im “Wein am Rhein” bei der Arbeit ist und wie relativ bescheiden es anderswo da aussieht, auch wenn ein Stern die PR bestimmt. Dass der Ruf der Sterne auch unter politischen Manövern des Verlags gelitten hat, ist dass andere (wünschenswerte Debakel), der Gast muss bitte sehr doch selbst entscheiden, was lecker ist! Für mich ist diese Qualität, Wein und Speise gut zu pairen, einfach wichtig und entsprechend mit hoher persönlicher Wertschätzung verbunden. Ich erinnere mich noch gut an Christina Fischers Restaurant, in dem Sie ähnliches vorgelebt hat. Melanie Panitzke hat bei Christina Fischer übrigens gelernt und diese Fähigkeit der Kombination von Geschmacksbildern kann ich persönlich gar nicht hoch genug aufhängen. Und das Pairing, so alt und ewig während als Fertigkeit, entspricht auch aus meiner Sicht auch dem Trend, zu dem sich die Spitzenküche allgemein bewegt. Der Fokus schiebt sich einerseits vom Starkult um den Koch mehr und mehr auf die Erzeuger. Die Küche wird wieder einfacher in Punkto Kombinatorik und Tellerdesign, aber deswegen nicht weniger komplex. Die Komplexität und die Qualität liegt stärker wieder im Produkt, was man bspw. im L’Air Du Temps, bei Redzepi oder Magnus Nilsson genauso erkennt wie beim aktuellen (Pellegrino) Listenfürsten Massimo Bottura. Selbst dem letzten Mohikaner wird klar, dass ein Spitzenkoch nicht der ist, der Aldis Gemüsetheke derart verzaubert, dass dann Spitzenküche das Resultat ist. Selbst der beste Maler taugt wenig, wenn er keine guten Farben und Leinwänder hat und ja, das macht einen gewaltigen Unterschied. Auch die für Traditionalisten molekularen Hexereien von Adria waren nicht der Sieg von Prozess und Technik oder gar Hightech, auch dort war das Produkt immer noch maßgeblich für das Ergebnis auf dem Teller. Diese Periode diente der Verfeinerung, der Erweiterung der kulinarischen Sprache auf ein Niveau, dass ausgerechnet für die Lebensmittelindustrie seit 50 Jahren täglich Brot war, die Traditionen der Köche aber lange nicht für sich erobert hat. Die Lebensmittelindustrie hat auf Ihre Art und Weise Profit und manche (mittelmäßigen) Qualitäten maximiert, aber der Sieger in der Küche bleibt vor allem einer, die Natur. Die Natur strahlt bei “Farm to Table” besonders kräftig und etabliert ein neues Denken der Nouvelle Cuisine – wohl schlichtweg weil es kaum noch Bauern und Züchter gibt, die Ihr Produkt mehr lieben als das Geld. Wenn Produzenten Ihren Job gut machen, die Bauern und Züchter, die Sammler und Kompositeure, na dann kann der Koch eigentlich nicht mehr so viel falsch machen. Der Koch ist dann eher der, der diese Magie erkennt und sie akzentuiert, betont und inszeniert, aber niemals sich mit der Natur einen Wettstreit darüber liefert, wer hier wen dominiert. Das braucht immer Zeit, das braucht immer Geduld – das lässt sich auch nicht beschleunigen. Der Mensch war auch mal wild und roh, doch seine Kultur und seine Technik diente der Veredelung und Transformation von Natur auf dem Teller. Sie war Ihr niemals überlegen.

Je mehr die Küchenspitze Ihr Augenmerk auf hochwertige Produktqualitäten als Voraussetzung für Raffinesse legt, umso mehr ist auch der Wein in seiner ursprünglichen Qualität wichtig. Also es ist nicht dass richtige Fass aus amerikanischer Eiche, dass am Ende alles rausreisst; es ist sicher nicht das Etikett noch der modische Bart des Marketinggenies, der den Wein besser macht. Es ist zu aller erst der Boden, es ist die Rebe, es ist das Klima. Es ist die Natur am Werke, vom Menschen unterstützt und begleitet mit Sinn, Verstand und Tatkraft, geschützt vor Schädlingen und Fressdieben, eine Frucht der Wildnis abgetrotzt durch Kultivierung. Und dass ist dann auch die Essenz vom Pairing von Speise und Wein: Es ist zwangsläufig, dass wenn die Burratta von echter Wasserbüffelmilch aus Kampanien vollmundig milchig und salzig auf der Zunge glänzt, der Wein kein glattgespülter Industriewein ohne Charakter und Spur von Terroir sein kann. Ganz enge Verknüpfung von Regionalitäten ist dann die klassische Sprache, sagen wir mal Riesling aus der Pfalz mit Saumagen. Aber auch dieser Wein gewinnt ganz andere Nuancen, wenn er stattdessen ein elegant komponiertes Spaghetti Vongole begleiten soll. Mögen die Holzchips noch so gut gewählt sein, mag die Sonne in Australien oder Kalifornien noch so “geballert” haben, das gute braucht Zeit und nur das Einfache ist das wirklich Edle.

Echte Persönlichkeiten passen immer nur zusammen. Das gilt für mich auch für Noreen Rudolph und Melanie Panitzke. Und das gilt für viele andere Sommeliers eben nicht, die sich im Anzug und mit kleinem Rebensignet am Revers zwar geschmeidig sich an den Gast lehnen, aber keinen Mut zu Charakter haben – der Gast könnte das mit Missachtung ja bestrafen. Aber bitte, gerade in Deutschland will man da Servilität? Oder Charaktere, die einem helfen zum richtigen Tropfen zu finden? Also für mich stellt sich die Frage nicht: Ich brauche klare Meinungen und Stimmen. Menschen, die auch mal raushauen, dass etwas einfach totaler Käse ist. Und dass dürfen Sie, weil sie Niveau, Bildung und Erfahrung haben. Etwas zu verreissen ist einfach wie dämlich, wenn man nicht weiß, worum es geht (der Dieter Bohlen Ansatz). Etwas zu benennen und immer zu wissen, er weiß, was er tut, ist was ganz anderes (sagen wir mal Wolfram Siebeck/Dollase Ansatz). Mut zur eigenen Meinung ist mir eine liebenswerte Eigenschaft, die ja nicht so viele Menschen teilen. Wenn der eine ein kantiger Charakterkopf mit Wurzeln ist, kann der andere kein technokratischer Globalplayer ohne Seele sein. Sonst wird einer zum Zuschauer und der andere zum Moderator. Ist der Zuschauer selbst ein weichgespülter Technokrat, wird Ihn wohl der Auftritt von soviel “Mensch” überraschen bis verängstigen. Er lässt sich dann wohl eher vom Sommelier flüstern, was anderswo auch gerne und oft getrunken wird, der Preis sei da nur zweitrangig. Panitzke und Rudolph sind aber schlicht dafür zu ehrlich: Sie wissen auch, dass Preis nur ein Indikator von vielen ist, ob ein Wein gelungen ist. Und ich mag es sehr, wenn sie selbst für sich erkennen, erschmecken oder entdecken, völlig egal, ob dass nun gerade die aktuelle Kampagne von LVMH oder sonstwem bedient.

Schauen wir also in die Tiefen des Duells. Die Anatomie der Schlacht, des Kampfes. Die Schlacht um den großen Genuß! Es ist quasi egal, ob Sie einem sportlichen Wettkampf beiwohnen, einem politischen Rededuell oder einer kulinarischen Schlacht: Für den Genießer ist es nur von Gewinn, wenn sich echte Titanen einen einen Schlagabtausch liefern. Und Titanen waren bekanntlich keine Götter, sondern Riesen in Menschengestalt – und Menschen sind beide natürlich voll und ganz! Um mal in der Diktion der Schlacht im klassischen Sinne zu bleiben: Als Achilles und Herkules aufeinander trafen, war dies die Schlacht zwischen einem perfekten Krieger zu einem vollreifen, mächtigen Königssohn des schönsten Reiches Griechenlands. Beiden war die Macht als auch die spirituelle Tiefe bewußt, als Sie vor den Toren Trojas sich Ihren Kampf lieferten. Wer auch immer dabei in den trojanischen Sand beissen würde, er wäre ein großes Verlust für das jeweilige Reich und schlicht das Beste, was man aufzubieten hatte. Man stelle sich vor, wie die Angelegenheit ausgesehen hätte, wenn statt Achilles da ein römischer Fußsoldat um Herkules herumlief – er wäre gnadenlos zermalmt worden und diese geschmacklose Hinrichtung ohne Ehre wär ein Elend für die Natur und Kultur der Trojaner gewesen. Kurz: Wenn schon ein Duell, dann bitte stets auf Augenhöhe! Klar wird mal wieder, bei Noreen Rudolph und Melanie Panitzke ist dass der Fall – sie sind dem Wein und dem Thema leidenschaftlich verfallen und entdecken immer neue Nuancen, die sie interessieren. Ein Glück, dass beide in Köln leben und gerne was zusammen machen, denn beiden steht Eitelkeit nicht im Wege.

Richtig komplex wird es, weil dass Duell Panitzke vs. Rudolph nicht beim Wein aufhört. Das ist ja noch der Koch! Und der sollte, einem Schiedsrichter gleich, natürlich beide gleichermaßen bedienen. Mattis kocht sehr klar, sehr natürlich aromatisch, inspiriert von traditionellen Gerichten aus europäischen Küchen und modernisiert und fusioniert diese beständig. Sei es in der Komposition, sei es durch die Kochtechnik, das Niveau ist hoch und überhaupt nicht im Klein-Klein verloren. Mattis verliert sich nicht in Mikrokräutern und Gänselebermousse mit piemonteser Haselnuss, die Gerichte sind da deutlich direkter und im besten Sinne des Wortes einfacher. Besonders gut illustriert hat er dass für mich mit einer Tranche vom Entrecote, Sous Vide Radicchio und Steinpilzpolenta. Das Entrecote war von einem reifen, aromatischen Tier, dass sicher nicht nur Mais gefuttert hat. Der Radicchio war richtig schön bitter, genauso liebe ich es aus Norditalien. Melanie stellte dem Gericht einen 2011er Barolo “Cucina Nova” von Elvio Cogno aus dem Piemont an die Seite. Was soll ich sagen, dass war von A bis Z Charakter: Ein echter authentischer Barolo, der nicht Bordeaux sein will (dazu gab Melanie einen Impulsvortrag mit Herz) und in seiner Vollmundigkeit diese kräftigen Aromen im Zaun hält. Wow, was will man da dagegen halten? Noreen wählte einen 2011 Lalama Dominio do Bibei aus Ribeira Sacra (Galizien). Die starken Granitanteile im Boden haben da sicher einen Wein mit herzhafter Frucht gemacht so wie in der Nördlichen Rhône Weine angebaut werden, außergewöhnlich ätherisch und sicher erinnert man sich an Wein nicht nur wegen des Etiketts wegen. Aber da gegen zu halten – immens schwer.

Entrecote, Radicchio, Steinpilzpolenta

Entrecote, Radicchio, Steinpilzpolenta

Viel besser gelang es Spanien amüsanter Weise beim Einstieg. Das Gericht war für die Küche zwar einfach zu kochen, aber eher schwer zu bekommen: Ein extrem leckerer Burratta mit den perfekten Olivenöl, weiße Bohnen, gegrillte Melone (auch die war einfach nur gut, weil genau die richtige Melonenqualität!) und Minze. Ein super schönes ehrliches Gericht. Dagegen setzten beide Damen Weine, die eher mit reifen Tönen beeindruckten: 2015er Albarina Igrexario de Saiar von Benito Santos (Spanien) spielte hier gegen den 2012er Soave von Corte San Alda, Mezzane di Sotte aus Venetien. Der Spanier aus der Rebsorte Albarino überraschte mich teils mit Aromen, die ich so eher aus dem Burgund kannte. Ölig und manchmmal stumpf, weil gewollt nicht so spritzig mineralisch sicher ein klasse Wein für Meeresfrüchte, so dachte ich. Im Glas war das ganze eher verhalten von meinem Applaus, als ich den Soave dagegen probierte. Melanie erzählte von Gaga Negra und dem Herz des Winzers für Demeter. Ich fand dass im Glas deutlich überzeugender, etwas kräftig fruchtiger und komplex. Aber nun, wenn man dann zum Essen schreitet, ist die Frage: Ist der bessere Wein der bessere Begleiter? Für mich war das Gegenteil der Fall, der Spanier konnte mit dem Mozarella Derivat aus Kampanien eher auf Augenhöhe spielen, dass war für mich harmonischer, ausgeglichener und in seinen leisen Tönen das gelungenere Paar.

Burratta mit Bohnen, Minze und gegrillter Olive

Burratta mit Bohnen, Minze und gegrillter Olive

Beide Gerichte, wie ich Sie beschrieb, stehen idealtypisch für das Erlebnis an diesem Abend. Hier wird eher mit klarem Rezept, toller Zutat und klarer Note gekocht, was ich in der Domstadt Köln genauso am Maibeck oder Essers Gasthaus liebe. Diese Restaurants dominiert die Authentizität. Wie auch bei Iris und Andreas in Essers Gasthaus findet die sehr persönliche Küche mit ausgewählten Produzenten sehr authentisch zu den Weinen. Der Unterschied in der Philosophie der Restaurants: Beim Wein am Rhein geht der Fokus über Deutschland und Österreich hinaus, was jetzt weder Vor- noch Nachteil ist. Entscheidend ist, ob auch der Sommelier die Variationen der Küche versteht und dann erfolgreich begleitet. Die Niveauhöhe liegt wohl auch im Wein am Rhein darin, dass nicht nur Mattis sehr klar und aromatisch kocht, sondern Panitzke eben auch mal durch außergewöhnliche Weinauswahl die Latte vorlegt. Von Reisen bringt sie mir unbekannte Preziosen mit, die sich gewaschen haben. Anderswo läuft es beim Pairing schon mal andersrum, da kocht der Koch vielleicht spektakulär gut, doch der Sommelier bedient eher die Wünsche des Chefkochs; von Gleichrangigkeit keine Spur und das ist so wohl gewollt. Meiner Meinung nach zeigt das perfekte Pairing auch in Köln in die Zukunft. Was in Weinregionen schon immer selbstverständlich war, also Wein und Speisen nah beieinander zu halten, findet man im Wein am Rhein also in Köln dann genauso. Köln liegt am Beginn der deutschen Weingebiete, verschneidet sich aber nicht immer kulinarisch günstig mit dem Norden und über die Qualität mancher Kölschsorten tobt mehr und mehr ein Streit, den ich lieber die Düsseldorfer entscheiden lassen möchte (ja, ein blöder Witz, ich weiß).

Ob im Wein am Rhein dann Wein oder Speise für den Genießer gewinnt, ist nie sicher; sicher aber ist:auch hier findet ein Duell auf hohem Niveau statt, wovon sich besonders ein Spitzenrestaurant, dass wie immer wie selbstverständlich von perfektem Pairing reden, eine dicke Scheibe abschneiden sollte. Auch bei Weinen gilt für mich: Neue Traditionen fördern statt immer nur auf Klassik und Tradition zu setzen – aber zu erkennen,wo Tradition nun mal einfach noch besser ist. Und man muss keinen Dogmastreit darum machen, ob eine Winzerfamilie in 14ter Generation automatisch besser ist als ein Gut, dass frisch gekauft wurde. Wenn wieder Leib und Seele in einem alten Familienbetrieb stecken, dann ist es gut. Wenn der Generationenwechsel geglückt ist oder aber ein neuer Liebhaber ein Weingut nicht nur besitzt, sondern mit Seele befeuert, dann ist das genauso gut. Am Ende überzeugt ja das Produkt, darauf kommt es immer an.

Ich sprach vom Kampf um Authentizität: Wer gewinnt den Kampf also an diesem Abend? Naja, gehen wir mal vom Blick der gehobenen Küche aus, dann kann Spanien bei aller Liebe noch nicht mithalten. Einige wenige Güter schaffen es, aber die gesamte spanische Landschaft stützt eine eher einfache Küche, die etwas einfacher ist. Keine Frage, wenn die gehobene Küche sich verändert und in der ein oder anderen Form die kräftige Aromatik Spaniens nicht nur bei Tapas weiter wächst, dann sind auch andere Weine gefragt. Das aktuell gemeine ist nur, dass Italien einfach alles hat – gerade feuern neue Winzer aus Sizilien und Sardinien außergewöhnliche Tropfen nach oben, ein ewiges Spektakel ohne Unterlass. Dann wiederum gibt es aber auch unschöne Entwicklungen, wie Melanie bspw. die Vernachlässigung des Barolo-Charakters beschrieb. Da ist man vermutlich nur darauf aus, den Franzosen die Krone in den Bordeaux-Preisen wegz zu schnappen und vergisst dabei, dass ein Bordeaux am Ende ein Bordeaux ist und bleibt, der Barolo soll aber ein Barolo bleiben. Wenn der chinesische oder amerikanische Markt für Bordeaux ein paar Prozent mehr springen lassen, dann sollte die Gier bitte nicht die Italiener dazu bewegen, Ihnen auch noch geschmacklich nach zu eifern. Wir wollen hier bitte mehr Authentizität!

Geschmorte Kaninchenkeule,  Lorbeer, Schwarze Oliven und Orecchiette

Geschmorte Kaninchenkeule, Lorbeer, Schwarze Oliven und Orecchiette

Begleitet die Küche also den Wein, dann ist das Schicksal oder das Renommee eines Weins meist auch an sein Erzeugerland geknüpft. In der gehobenen Gastronomie kann Spanien auch mit Stars wie El Celler de Can Roca aus Grona nicht mithalten mit der Breite an guten italienischen Restaurants, die es eben überall gibt. Die Spanier, die emigrierten, haben sich eher weniger um die Verbreitung von Ihrer Küche gekümmert als die Spanier. Italien schaffte es überall: In einfacher Form als Pizza oder als Kalbsleber mit Chianti – eben göttlich in jeder Preislage. Die auch in Köln stark vertretenen Tapas Bars dagegen sind teilweise so dermaßen schlecht, dass sie der Reputation der spanischen Küche nicht helfen können. Das geht leider weiter beim spanischen Olivenöl (eher Masse denn Klasse) als auch beim Wein. So kann an diesem Abend Spanien eben wieder nur leicht kratzen am kulinarischen Donnerhall Italiens, die seit seit tausenden Jahren verwöhnt von der Natur und dem Wetter Spitzenprodukte erzeugen. Und nicht nur dass, sie vermarkten sie auch unglaublich erfolgreich und prägen gar die Sprache. Aussprüche wie “gutes Olivenöl” nützen vor allem den cleveren Italienern, denn überall auf der Welt in jeder Pizzeria steht sicher, der Authentizität halber, italienisches Olivenöl in der Flasche. Ölivenöl mit griechischer Flagge oder spanischer? Wird von den Amerikanern wie auch vielen Deutschen eher als Erweiterung des Originals verstanden, so kurios dass für die Griechen, die denn Olivenanbau als erste kultivierten, auch sein mag.

Jaja, die Italiener. Dass Sie selbst manchmal dabei erwischt werden, wie Sie mit griechisch-spanischen Erzeugnissen minderer Qualität panschen, dass sie Lasagne mit Pferdefleisch exportieren und Schwein drauf schreiben – all dass kann ihnen kaum schaden. Zu präsent sind sie ganz oben und beim Wein sind sie nicht weniger stark aufgestellt. Weltweit ist die Reputation von Barolo nur noch mit Bordeaux vergleichbar, einerseits ob der Preferenz des Weltmarktes für diese Assemblage und seine Verquickung mit den größten Exportschlagern der Küche: Die Nouvelle Cuisine vor allem seit den 80ern (Bocuse) hob den Bordeaux von Pauillac bis Medoc in unerahnte Höhen, verdrängte den Cognac nicht nur in in England in ein Nischenprodukt und die gehobene italienischen Küche verbreitete sich noch schneller auch in der Breite. Dank relativ einfacher Technik und den ebenfalls verfügbaren Zutaten selbst in den USA stieg auch die Bedeutung und leider auch der Preis von Barolo & Co. Ein fast zwangsläufiger Sieg, wie es scheint.

Der Primus inter pares Italien, geradezu von Selbstsicherheit besoffen, wird vom aufstrebenden Rohling Spanien provoziert. Don Quijote und Sancho Pansa gegen Dionysos und Demeter? Barolo gegen Rioja? Pedro Aldomodovar vs. Roberto Begnigni? Seat vs. Ferrari? Paella gegen Pizza? Sangria gegen Lambrusco?

Was um Himmels Willen gab Spanien diesen Mut? Der Mut der Verzweiflung? Weiter machen, Spanien, niemand ist dauerhaft erster Sieger, auch Italien nicht – mag der liebe Gott Ihr Land noch so mit Sonne verwöhnt haben und Ihre Flüsse so schön. Denn wer dauerhaft gewinnt, wird irgendwann müde – und teuer. Zeit, für neue Sieger!

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