Das intellektuelle Konzept der Disruption betont die Neuartigkeit und Innovation großer Veränderungen. Ohne auf die Natur der Innovation oder die Veränderung als solche einzugehen, ist das Wort als solches in seiner Natur der Gegensatz zur Iteration und Perfektion. Disruptiv bedeutet, eine Linie nicht mehr fortzuschreiben. Disruptiv heißt, etwas bestehendes mit etwas zu ersetzen, was in einem anderen Wirkungskontext eine Veränderung sichtbar macht. Aber das Ergebnis der Disruption ist nicht nur das spektakulär Neue, sondern im Kern ist es die Zerstörung. Ob man sie dann kreative Zerstörung nennen darf, ist eher ein Euphemismus. Letztlich bedeutet es ein Bauwerk, dass vorher gedient hat, zu zerstören, um es neu zusammen zu setzen. Dieses Credo bestimmt die gesellschaftliche und technologische Debatte maßgeblich, denn die disruptive Idee gilt als die Quelle großen Reichtums, wenn Sie geschickt umgesetzt wird. Damit wird erkennbar, dass die Idee der Disruption eine typisch amerikanische Konzeption ist. Sie kennt nicht den Wert des Bestehenden, wenn daraus nicht neuer Reichtum geschaffen werden kann. Als kapitalistische Gesellschaft ist sie in ihrer reinen Form, anders als die soziale Marktwirtschaft in Deutschland oder der teils staatlich und institutionell gelenkte Kapitalismus in Japan, dauernd auf Wachstum angewiesen als Quelle Ihrer Erneuerung und somit Beständigkeit.
Der Gegensatz zu dieser Philosophie, ebenso mächtig, doch mit ganz anderen gesellschaftlichen und sozialen wie technologischen Implikationen, ist eben die Iteration und die Perfektionierung. Sie geht nicht davon aus, dass für das Neue sämtlich bestehendes verschwinden muss, sondern baut diese graduell um mit einem fließenden Wirkungskontext. Soichiro Fukutake, der die japanischen Inseln Teshima und Naoshima in dieser Weise verändert hat, betont: „Das meiste aus dem Vorhandenen zu machen und so zu kreieren, was nicht existiert“; so hat es Japan viele Jahrhunderte hindurch gestaltet. Das Vorhandene zu verfeinern und zu perfektionieren und damit Neues zu kreieren: Das ist die feine, leise Antwort Japans auf die Prediger der großen Disruption, die den Diskurs im Silicon Valley und in Washington bestimmen.” Einblick in die Ergebnisse dieser neuen Philosophie, die den Wert der zeitgenössischen Kunst für die Bewohner dieser Inseln so betont, zeigt dieser Bericht der FAZ.