Heute las ich von Timothy Snyder einen Gedanken auf Twitter, der tröstlich stimmen durfte:
“China has peaked, Russia is retreating, and Trump is done. There’s hope, people.”
Warum ich den Gedanken tröstlich fand? Hauptsächlich wegen der These, dass China den Zenith schon überschritten habe. Dabei geht es nicht um das wirtschaftliche China, sondern vor allem um das politische System. Die Erlösung liegt einzig und allein an den nationalistischen Phrasen die aus Xi Jinpings Reich zu uns drangen und die ich als liberaler Mensch unerträglich finde. Eine Nation, die sich derart in Selbstbewusstsein und Pathos auflud, die wirkt auf mich brandgefährlich. Wie also sollten die USA und China die Taiwan-Frage lösen, wenn nicht ein großer Krieg daraus werden solle? Mehr und mehr schien ein Patt zweier expansiver Systeme zu drohen. Geschichtlich war China gar nicht als sonderlich aggressiver Staat bekannt, im Gegenteil. China ruhte in seinen Grenzen seit Jahrtausenden, es richtete größere Massaker eigentlich nur an der eigenen Bevölkerung an, bedrohte aber keine Staaten mehr nach außen. Ok, das stimmt natürlich nicht so ganz – das ist nur die Wahrnehmung. Denn natürlich sind die Chinesen schon mal brutal in Vietnam eingefallen, haben sich aber dabei eine peinliche Niederlage eingefangen, die sie lieber verschweigen.
Der Angriffskrieg gegen Vietnam war nur ein kurzes Scharmützel (das schnell verloren wurde), Kriege des Weltenbrands deutscher Dimension hat China nicht geführt und wurde besetzt (bspw. von Japan mit dem Kaiserreich Manschuko oder als Kolonie durch Großbritannien oder England). Das hat sich aber mit dem wirtschaftlichen Aufstieg nun verändert, China hat sicher heute mehr denn je das Potential um Kriege zu führen was es früher so nicht hatte. China ist auch nicht eingebunden in politische Bündnisse wie EU oder gar NATO und somit ein stückweit unberechenbar. Warum sollte aber nach diesem kolossalen Aufstieg, der hunderte Millionen aus der Armut holte, nun China gefährlich sein? All dies kulminiert im großen Führer Xi Jinping, der sich zur dritten Amtszeit gerade hat wählen lassen als oberster Parteisekretär und geistiger Führer. Nur ein Führer statt ein Komitee “means generally big problems are rising.” Im Gegensatz zu seinen Vorgängern Deng Xiao Ping steht der wirtschaftliche Aufstieg nicht im Vordergrund seines Programms. Wenn, dann ist es China selbst, dass selbstbewußt und stark sein solle. Glasklarer Nationalismus also. Da dies mit großen Militärparaden einher geht, befürchtet der Westen dass China die Taiwan-Frage ein für allemal durch Eroberung lösen wolle. Dieses Risiko besteht eindeutig, solange es keine Alternative gibt, denn die Ein-China-Politik wirkt nicht mehr als garantierte und friedliche Lösung.
China hat wirtschaftlich versucht, durch große Infrastrukturprojekte wie die neue Seidenstrasse seinen Aufstieg abzusichern. Es investierte Milliarden in Entwicklungshilfeprojekten, die großen chinesischen Unternehmen in Afrika oder Südamerika zu Gute kamen. Aber erstaunlicherweise kommt da die Begrenzung des Aufstiegs an Licht. China ist ein politisch gesehen totalitäres System. Seine Überwachungsstaat ist kein Exportgut, dass andere Staaten gerne importieren würden. Die Mittelklasse fängt an zu murren, wenn der wirtschaftliche Aufstieg nicht mehr garantiert ist. Das System hat eine desaströse Demographie durch die 1-Kind-Politik, ein Staat voller schlohweißer Rentner droht aus China zu werden. Die Art, wie die chinesische Partei mit Misstrauen regiert, hat die Wirtschaft überall eingeschränkt (synonym hierfür ist die Covid-Restriktion). An dieser Schnittstelle ist die größte Restriktion Chinas sichtbar: Ein Staat wie dieser kann nicht offen sein. Er kann nicht verschiedene Kulturen und politische Denkweisen einfach einladen und in seinem Land eine Herberge sein – er will diese Heterogenität bekämpfen wie die Han-Chinesen es mit den Uiguren tun. Was er im inneren nicht kann, kann er auch nicht im Äußeren: In andere Länder gehen, sich mit Ihnen mischen und neue Unternehmen gründen ist undenkbar, denn staatliche Kontrolle ist so nicht möglich. Er kann nicht auf Dritte zugehen, er kann nur sein System anbieten und diktieren. China kann dies in Despotien tun, wenn sie korrupte Herrscher bestechen und so Interessen versuchen abzusichern. Aber es gibt so keine Lösung für das politische System Chinas um weiter zu expandieren – es ist so auf seine Grenzen zurückgeworfen. Damit wirkt die Idee, dass China ein aggressiver und dominanter Staat herrlich abgeklungen – China wird sicher kein einfacher Verhandlungspartner, aber es wird weniger expansiv und aggressiv in die Politik anderer Länder eingreifen als vielleicht gedacht. Und wenn man mit China im Diskurs bleibt, muss es auch keinen unabwendbaren Konflikt geben.
Hinweis: “Have we reached peak China?” – ein Artikel aus Politico aus 2021 von Maximilian Mayer und Emilian Kavalski, der diese Aspekte noch genauer beleuchtet und den ich empfehlen kann. Ein Zitat: “There’s an important takeaway from all of this: The narrative that the world is facing a new Cold War between China and the West needs a reality check. A Cold War needs two powerful protagonists able to act on the global stage. And while China may be growing into an economic, military and technological giant, the “hegemon in the making” is much more vulnerable and isolated than it likes to pretend.”