Verhöhnung oder Satire? Was ist im Netz heute noch erlaubt? Der scharfe Umgangston im Netz ist oft wenig witzig. Meme, Hoax und Fakes verbreiten sich schnell und sorgen ebenso für Lacher wie auch für Verwirrungen und Ärger. Ein überzogenes Meme treibt den Puls, triggert und bringt Dich in Wallung. Und dann wird über Dich gelacht! Etwas höhnisch. Mal von links, mal von rechts. Für Links steht Jan Böhmermann, für die rechte Satire nicht Dieter Nuhr, nein, der steht ziemlich sicher in der Mitte wenn wir ihn mit Tim Kellner vergleichen. Denn das ist die Opposition. Und wo ist da der Unterscheid?
Politisch geht es hierzulande ja um so mehr ab, je weniger die Berliner Ampel was geregelt bekommt. Was Jan Böhmermann (von seinen Gegnern zu Jane Böhmerturd umgetauft) auf der linken Seite des Spektrums ist, nämlich ein “charakterloser und vom Rundfunkbeitrag alimentierter Hetzer” (Nius), das ist auf der anderen Seite des politischen Spektrums der Videoblogger Tim Kellner (“Nazi!”, Sawsan Chebli), seines Zeichens unabhängig von öffentlicher Alimentierung und auf YouTube zu verfolgen. Die Frage stellt sich nicht nur vor Gericht: Ist diese Form von Satire so noch zulässig? Sind das Satiriker und ist das Satire? Und unterscheiden sich beide wirklich voneinander, kurz: Was darf Satire? “Alles!” würde Tucholsky sagen. Aber alles ist heute nicht mehr erlaubt in diesem Staate Dänemark. Deswegen schneide ich die Rechtslage für alle hier und da an.
Kellner ein Nazi und Böhmermann der Blockwart der wahren Gesinnung?
Fangen wir mit dem Beispiel Böhmermann an. Er mischt die Formate und will Satiriker sein, doch genauso will er als investigativer Journalist “seine Wahrheit der Dinge” berichten. Berichtet er dabei so “wie es ist” oder wie er denkt, wie seine Weltsicht es erfordert? Dass er als Journalist wohl noch viel lernen muß, beweist jüngst die Causa Schönbohm, als er den ehemaligen Chef des BSI mit allerlei Vorwürfen belegte, so dass die (erschreckend irrlichternde) Innenministerin aus Treu und Glauben heraus Böhmermanns öffentlich gemalten Zerrbild von Schönbohm ungeprüft recht gab und Schönbohm auf Sack und Fall entließ. Dass nichts an den üblen Vorwürfen dran war und aus ein paar herbeigezerrten Inhalten eine harte Räuberpistole namens Vaterlandsverrat gebaut wurde, die Schönbohm vernichten sollte, ist der bittere Beigeschmack dieser Art von Satire. Die Entlassung, die eigentliche Geschmacklosigkeit, geht in diesem Falle aber eindeutig auf Böhmermanns Fangirl Nancy Faeser zurück. Sie hatte sich im Zweifel sofort gegen einen hohen Beamten aus dem CDU Umfeld positioniert, wenn sie es konnte. Das belastet auch Böhmermann, er erscheint auch deswegen nicht eindeutig über jeden Zweifel erhaben, weil Böhmermann parteiisch ist: Im Zweifel immer hart links! Und das merkt man.
Bei Böhmermann ist nun die Frage, ob unhaltbare Unterstellungen wirklich noch Satire sein können. Oder ist er der “Blockwart der wahren Gesinnung” (Reinhard Mohr). Rein juristisch ist der Mantel der Satire da wie ein Trick – die Qualität der vorgebrachten Fakten könnte man als zugespitzte Darstellung verkaufen, dadurch wird Böhmermann etwas unangreifbarer. Natürlich nur solange, bis man nicht ein wieselflinkes Changieren zwischen Journalismus hier und wenn es dünn wird Satire da erkennen kann. Böhmermann will in beiden Kategorien arbeiten, doch gilt nicht für beide das Gleiche. Eine Falschbehauptung in einem journalistischen Format ist ein Problem, in der Satire noch lange nicht, solange ein Zusammenhang zur Sache zu erkennen ist.
Ist Böhmermann aus der Sache Schönbohm juristisch dennoch ein Strick zu drehen? Arne Schönbohm versucht das gerade, er verklagt das ZDF als Sender auf 100.000 € Entschädigung für den entstandenen Rufschaden. Dass dieser Schaden genommen hat, ist unzweideutig, die Frage ist nur: War das Satire oder hat Böhmermann Journalist sein wollen – denn dann braucht er dafür definitiv Belege, die seine Meinung zum Zeitpunkt der Veröffentlichung stützen.
Das Ergebnis der Verhandlung steht wohl noch viele Monate aus, auch hier hängt es davon ab, ob es sich aus richterlicher Sicht um Satire handelt oder echte investigative Recherche, das ist dann auch eher eine Frage des Medienrechtes denn des Verwaltungsrechts. Wo Böhmermann dies als Satiriker nicht trifft, so sollte doch zumindest sein Ruf als investigativer Journalist beschädigt sein. Interessanterweise aber goutieren seine Fans, eine etwas satte Pantoffelfraktion, die sich schnell agitieren lässt, seine Arbeit dennoch. Denn mir scheint, die höhnisch lachenden Fans wollen bei Böhmermann gar keinen Wallraf, der viel aufdeckt, nein, sie wollen einmal höhnisch über den politischen Gegner lachen! Und da ist es egal, ob wirklich etwas dran ist an Vorwürfen – Hauptsache, der Jan zieht lustig und mit schicker Ästhetik vom Leder! Und bitte schön höhnisch, harrharrharr! Für diese Fans ist das Weltbild gefestigt, der Feind steht immer rechts und sie fühlen sich in der sicheren Mitte, sind aber ziemlich weit links.
Muß Satire einem denn überhaupt gefallen? Denken wir einmal an die Attacken auf die Satirezeitschrift “Charlie Hebdo”. Der Grund der Attacke der Terroristen waren Mohammed-Karikaturen. Wir haben im Westen diese Attacke einheitlich verdammt, taten dies letztlich mit dem Recht auf politische oder religiöse Satire. Daran lässt sich ableiten, wie hoch die Hürden sein müssen, Satire nicht mehr statthaft finden zu dürfen.
Tim Kellner, die rechte Evolution
Auf Kellner haben viele gewartet. Aber nicht in dieser Form! Das sagen die Anderen. Was es lange nicht auf der rechten Seite gab, dass war ein wirkmächtiges Sprachrohr, dass mit Humor und Satire arbeitet. Und zwar so ätzendem Humor wie er Böhmermann gerade recht und billig ist. Doch man hat es lange nicht mehr gehört, so dass man als Zuschauer, der Dieter Nuhr schon heimlich bei seinen Kollegen bemerkt, hier besser gar nichts sagt. Kellner gucken, dass ist für eine halbe Million Abonnenten ein Tabu. Was Kellner macht ist so ungewöhnlich und im deutschen Fernsehen so dermaßen ungewohnt kritisch, dass es für die linke politische Landschaft zu einem schwer aushaltbaren Problem wird. Denn während im Allgemeinen Kritik eher von Links kommt und es deswegen auch nicht so kritisch mit den aktuell regierenden links-liberalen Politikern meint, kommt Kellner hart von rechts und adressiert Themen so, wie man es nicht gewohnt ist. Man kennt das halt nur von links, von “Böhmerturd”.
Die Sendung startet mit einem Einspieler, der ein paar niedliche Lamas und Alpakka unter einem Regenbogen zeigt. Ja, ganz ernsthaft. Und als Titel wird “Love Channel” eingeblendet, ebenfalls unter einem Regenbogen. Was ist denn das, fragen sich hier schon die allermeisten, Nachrichten vom Regenbogen? Kellner sitzt in seinem Kinderzimmer, Kissen mit Einhörner hinter sich drapiert, einigem Rosa und seiner Sonnenbrille in Herzform. Das Einhorn ist sowas wie queeres Symbol für Eskapismus und bunten Pop, für Materialismus und Freizeitkultur. Es steht, das merkt der Zuseher bald, im extremen Kontrast zu dem gezeigten Inhalte. Kellner beginnt seinen Monolog mit einer nicht minder irritierenden Satzkonstruktionion:
“Welcome back auf dem Love Channel, der letzten moralischen Verteidigungsinstanz aus dem längst gefallenen Shithole Germany mit einer Sendung die so weit vom Rassismus entfernt ist wie die Republik Kongo von der Mondlandung!”
Äh, Moment, was heißt denn das jetzt? Ist die Sendung jetzt also rassistisch oder nicht? Moment, wenn ich vom Rassismus weit entfernt wäre dann würde ich ja den Kongolesen niemals eine Mondfahrtfähigkeit unterstellen und das wäre wirklich rassistsch? Mit diesen kleinen logischen Tricks baut sich Kellner seine ganze Sendung auf. Man könnte sagen, dass die Triumph von Kellner in seiner Uneigentlichkeit liegt: Er ist es vielleicht, aber er ist es vielleicht auch nicht? Das macht aus der Tim K. Show eigentlich schon mal ziemlich sicher keine Propaganda oder politische Sendung, sondern es ist eine Kunstform. Dazu tragen auch die zahlreichen Schnipsel aus Filmen bei, die aber oft eins gemein haben: Es darf gelacht werden und zwar auf Kosten Dritter. Fast jeden Tag schauen fast 500.000 Abonnenten die Show genannt “Love Channel” mit dem Love Priest. Und da kriegen, man kann es nicht anders sagen, Annalena Bärbock, Sawsan Chebli u.a. ordentlich “Ihr Fett weg”. Kellner selbst, der Präsident eines Motorradclubs ist (was genau das wiederum ist, ist auch nicht klar: Liebe zum Motorrad oder Liebe zur Kriminalität?), nennt sich zu allem Überfluss auch noch “imaginäre Transsexuelle”.
Serdar Sommoncu hat Kellners Sendung versucht zu analysieren und für ihn ist es relativ deutlich, dass wenn es um Love geht, die Botschaft eigentlich Hate ist. Das ist aber eine ebenso allgemeine Feststellung, dass man sie bei Satire im Allgemeinen als zutreffend beschreiben müsste. Sie kommt hier aber eindeutig von der rechten Seite und das ist in unserer Medienlandschaft per se die weniger erwünschte und unterrepräsentierte Seite. Über die Gründe haben sich viele Journalisten wie Jan Fleischhauer & Co schon lang und breit ergossen.
Was für Böhmermann und Tim K. gilt, gilt auch für Dich
Was Satire ist, das haben diese Anwälte von GGR Law schön beschrieben. Entscheidend ist immer, dass Du Personen, Zustände oder Missstände in überspitzter Form artikulierst – dann ist es als Satire zu verstehen, auch wenn Dein Hauptberuf nicht Künstler ist. Aber je künstlerischer Du es ausdrückst, desto besser ist es für Dich. Die Übertreibung, Verzerrung und Verfremdung der angegriffenen Personen oder des Zustands gehören eindeutig zu den Stilmitteln der Satire. Und: Das kann, muß aber nicht ironisch oder humorvoll sein. Es muß nur der Wahrheit entsprechen.
Daran kann man schon erkennen, wie hart es für Richter im Oktober 2023 in Detmold sein dürfte, bei Tim Kellner eine Eindeutigkeit zu erlangen, dass es eben nicht so ist: Dass es keine Satire, sondern definitiv Verhöhnung und Verächtlichmachung von Personen des politischen Lebens ist. Rechtlich ist diese Grenze überschritten, wenn es sich nicht um Satire, sondern Schmähkritik handelt (bspw. das Erdogan Gedicht von Böhmermann, dass definitiv nichts überspitzen sollte, sondern nur diffamieren sollte). Für Juristen dürfte dass ein spannender Fall sein, denn was ist bei Kellner denn eigentlich gemeint? Er bindet soviele Schnipsel und Versatzstücke (Stichwort Brückenschlag) ein, dass wohl auch viele seiner Zuschauer sich nicht immer sicher sind, was gemeint ist. Dass Kellner eine stramm rechte Gesinnung und ein Patriot ist, daran lässt er jedoch wenig Zweifel. Dies war klar sichtbar, als er sich Alice Weidel anschloss, die den 8. Mai nicht für einen Feiertag hält und ebenso eine Vertriebenen- und Fluchtgeschichte aus der eigenen Familie aufbot. Dass ist für die Familien, die sich befreit fühlen (vielleicht weil sie mal richtig fette Nazis in der eigenen Verwandtschaft hatten) natürlich ein Schlag ins Gesicht – aber es ist vieles, jedoch eben eine Meinung und sie steht fest auf dem Boden des Grundgesetzes.
Wenn es doch mal schief geht
Vielleicht wolltest Du selbst mal ein Kommentar bei Sawsan Chebli, Bossetti oder Böhmermann nicht überspitzen, sondern feste beleidigen? Ich wünschte ich könnte Dir jetzt was von Böhmermann zeigen, aber der hat mich dummerweise geblockt. Welch Zufall!
Aber davon ab, wenn Du selbst über die Stränge geschlagen bist, dann solltest Du es am besten sofort löschen! Ja, kein falscher Stolz, Du hast es rausgehauen, jetzt entsorge Deine Wut schnell im Papierkorb. Im besten Fall hat der Addressat ja noch gar nichts mitbekommen und die Sache lässt sich ungeschehen machen. Viele Beleidigungen sind vom juristischen her gesehen eh unkritisch, weil Du nur ein moralische Beleidigung aussprichst. Sagen wir mal, du willst das Migrationsproblem kritisch ansprechen und schreibst, dass der Autor eines Postings über Seenotrettung jetzt im Rettungsringbusiness ist. Daraus kann Dir juristisch keiner einen Strick draus drehen, aber Du kannst moralisch verurteilt werden, weil Du indirekt Flüchtlinge für Deine Witze missbrauchst. Die Strafe für moralische Verurteilung ist auf Twitter das Blocking (Böhmermanns Lieblingsstrafe), die soziale Ausgrenzung und moralinsaure Predigt, was für ein übler Mensch Du bist, was dann hunderte linke Claquere bejubeln, die man immer in Gefolgschaft der Gesinnungsprediger findet.
Bei der moralischen Verurteilung ist eher relevant, ob Du dich innerhalb oder außerhalb eines Wertekontextes befindest, denn die Gesellschaft oder zumindest die politisch-mediale Elite so definiert hat. Diese ist aktuell in Deutschland, kein Geheimnis, deutlich links der Mitte angesiedelt und die Grünen sind sowas wie die intellektuelle Sperrspitze dieser Bewegung. Ihr Thema ist das Klima und darin erkennt man auch das Potential für Widerstand: Anklagen, die den Missbrauch des Klimathemas für eine falsche Politik erkennen, werden schnell als Klimawandelleugner ausgegrenzt. Das ist eine ähnliche Maximalstrafe wie es noch in den 80ern die Beschimpfung als Nazi oder Antisemit war, es ist die moralische Höchstbestrafung, die man in petto hat.
Juristische Konsequenzen: Wo kein Kläger, da kein Richter.
Wer Dich wegen eines Beitrages bei Facebook oder Twitter (X) meldet, der hat die mildeste Form der Strafandrohung gewählt. Sie wird in der Regel nicht mit deutschen Behörden geteilt und fußt im Verständnis von X oder Facebook auf einem sehr hohen Grad an Meinungsfreiheit. Statements, die überzogen oder extrem sind, werden nicht selten der Ironie oder Satire zugeordnet und entsprechend nicht gelöscht. Es wird so oder so eigentlich ziemlich wenig gelöscht, was man kritisieren kann oder aber gut finden darf. Sicher ist die amerikanische Auffassung von Meinungsfreiheit, auch die schlimmsten Auswüchse von Hass immer als freie Meinungsäußerung zu lesen und zu schützen, für uns Deutsche extrem. Wir wissen auf jeden Fall als gute Schüler, dass alles mit dem dritten Reich, Hitler und seinen Symbolen sowie der Holocaust eine andere Behandlung genießt: Hier setzt das Strafrecht klare und enge Grenzen. Wenn Du aber nun bei Facebook oder X gerügt worden bist, ist das ungefähr so, als wenn man Dich während des Besuchs einer Disco beim Chef dieses Clubs rügt. Dieser Clubbetreiber prüft dann, ob du die Rechnungen bezahlst, verwarnt Dich eventuell oder sagt Dir, dass Du bis morgen den Club nicht mehr aufzusuchen brauchst. Erst wenn Strafverfolger auf ihn zukommen (wofür ein strafrechtliche Anzeige vorliegen muss), muss nach dem Netzwerkdurchsuchungsgesetz eine Einsicht erfolgen. Der Staatsanwalt kann dann, wenn er das Material gesichtet hat, entscheiden, ob er dass für verfolgenswert hält oder aber nicht. Aber das war es dann auch. Für Menschen, die Ihren sozialen Account monetarisieren, ist es natürlich eine große Gefahr, wenn man “im club” ausgesperrt wird – sie sollten sich mit den “Hausregeln” besser auseinandersetzen, aber meine Sorge ist dies hier nicht.
Achtung, hier tut’s weh: Verhöhnung, Spott und Witze können schief gehen
Kennen wir das nicht, dass wir auch mal einen zynischen Witz gemacht haben und der Adressat diesen wie bare Münze nimmt? Dann heißt es: “The shit is cooking!” Denn auch ein Witz kann eine Beleidigung darstellen. Und Beleidigungen sind mehr als ein kritischer Witz. Beleidigungen sind Anfeindungen und sie sind somit ausgesprochene Drohungen. Es geht hier auch um eine bewußte Zerstörung des Rufes der anderen Person. Und da fallen wir auf das Grundgesetz zurück, dass die Unversehrtheit der menschlichen Würde quasi auf Platz 1 gestellt hat.
Bei einer Beleidiung geht es erkennbar nicht darum, einen Grund für den Sachverhalt zu haben, den man kritisiert, sondern man richtet sich einfach nur noch gegen die Person. Statt die Person körperlich zu attackieren, macht man das verbal. Dennoch kann dies von jedem anderen anders empfunden werden, für viele Menschen ist eine harte Kritik nicht unterscheidbar von einer Beleidigung, aber das ist natürlich notwendigerweise zu differenzieren. Hier findest Du die Definition von HateAid, eng an §185 STGB angelehnt:
“Beleidigungen sind missachtende oder nichtachtende Äußerungen über eine Person in Wort, Bild, Schrift und Geste. Eine Person wird herabgewürdigt oder als minderwertig dargestellt, also in ihrer persönlichen Ehre oder aber ihrem Geltungsanspruch angegriffen.”
Auch, wenn von Fall zu Fall anders beurteilt werden kann, welche Äußerungen als strafbare Beleidigung geahndet werden, kann man generell sagen: Sowohl Formalbeleidigungen und auch die sogenannte Schmähkritik stellen immer eine Beleidigung dar.
Formalbeleidigungen sind „klassische“ Schimpfwörter wie „Arschloch”, „Schlampe” usw. Auch Böhmermanns “Ziegenficker” war eindeutig eine Schmähkritik und keine Satire mehr. Als Schmähkritik bezeichnet man die offensichtliche Herabwürdigung einer Person, ohne einen inhaltlichen Diskurs zu führen. Das bedeutet, dass jemand als Person beleidigt wird und nicht etwa eine Entscheidung, die der*diejenige getroffen hat oder eine Einstellung, die die Person besitzt.
Dass das nicht immer so ganz eindeutig ist, verdeutlicht der Fall von Renate Künast. Sie ist eindeutig persönlich beleidigt worden, dennoch hat ein Gericht in erster Instanz dies als freie Meinungsäußerung eingeordnet. Künast mußte deswegen höherinstanzlich nach Ihrem Recht suchen und erhielt dies dann auch.
Kurz: Die Beleidigung richtet sich immer gegen die Person, nicht einen Sachverhalt. Beleidigen ist ein Problem und ist strafbewehrt.
Für mich selbst ist die Grenze beim Hohn und Spott zur Beleidigung sehr dünn. Das zeigt für mich Böhmermann und auch Kellner. Bei einer echten Attacke, wie sie Böhmermann fährt, tritt die Sache mehr und mehr in den Hintergrund und der Hohn überwiegt. Dieser Ausdruck ist stark abschätzig. Man will bildlich gesehen jemanden vor der ganzen Welt der Lächerlichkeit preisgeben. Das kann die betroffene Person treffen, leider berechtigt wie unberechtigt. Hohn bzw. Verhöhnung empfinde ich nicht als eine besonders glückliche Form der Kritik, denn Sie zieht schon sehr stark auf die Person und will mit dem Witz möglichst stark provozieren.
Obacht bei “Personen des politischen Lebens”
Mit besonderen Kopfschmerzen habe ich auch den §188 STGB gelesen. Er straft diejenigen ab, die Personen des politischen Lebens beleidigen, üble Nachrede oder Verleumdung getätigt haben. Ich halte diesen Paragraphen für grenzwertig, da er in der Hand eines nicht ausgewogen arbeitenden Richters für großen Schaden sorgen kann. Wenn Sie bspw. die Innenministerin wegen Ihres Umgangs mit der Migrationskrise als “faul und untätig” bezeichnen, ist dann hier schon der Casus “üble Nachrede” erfüllt? Ich würde zwar immer sagen nein, denn solange man dies aufgrund von Fakten auch als beweisbar deduzieren kann, dann liegt sicher keine üble Nachrede vor. Trotzdem kommen wir auf hohe See und selbst wenn die Abschreckung mal zum Schutz von Kommunalpolitikern geschaffen wurde, kann sie beim politischen Spitzenpersonal auch zu einem “Abschreckungsmissbrauch” führen, der die freie Rede subtil einschränkt. Aktuell ist ein bekannter Fall die Verurteilung des rechten Bloggers Tim Kellner, dessen Fall im Oktober neu verhandelt wird und wohl für eine Art Grenzziehung nützlich sein dürfte. Danach wird man sehr plastisch erkennen, wo sich Satire, Parodie und üble Nachrede genau unterscheiden, kein leichter Fall für den Richter.
Das Schmerzlichste an Schlägen ist […] der Hohn, der sie begleitet.“ (Viktor Frankl)
Wahrscheinlich ist es diese furchtbare Respektlosigkeit, die Hybris, die Blockwartmentalität, die auch mich bei Böhmermann immer wieder auf die Palme bringt. Böhmermann hat kein Herz, seine Sendung ist hässlich. Die Sendung “Magazin Royale” ist die Begründung für die Notwendigkeit eines Tim Kellner. Satire darf fast alles bekämpfen. Hierzu zählt auch die geschmacklose und schonungslose Offenlegung des Schrecklichen im entsprechenden Kontext. Die Grenze ist die Menschenwürde der angegriffenen Person. Diese muss gewahrt bleiben. Für unsere Zeit aber gilt:
Es braucht einen Tim Kellner, um Jan Böhmermann zu ertragen. Und ohne Böhmermanns bräuchte keine Kellner.