Am 11. Juli traf ich im Ludwig Bazon Brock. Ich hatte ihm geschrieben nach einen Vortrag zur kulturellen Identität. Ich war motiviert ihm zu erzählen, wie ich den modernen Mensch als Künstler während unseres Wild Table Experimentes erlebt hatte: Als einen narzisstischen Konsumenten, der immer nach Befriedigung ihm eingeredeter Bedürfnisse verlangte, selbst aber zu keiner schöpferischen Leistung mehr fähig ist. Der Mensch ist Konsument, kein Künstler mehr. Er liebt nicht, er schöpft nicht, er würdigt nichts, er verbraucht nur noch. Und zu locken ist er nur mit dem Versprechen von Geld (Verbindlichkeit im Kapitalismus) an das er immer glaubt oder aber flüchtigen Ruhm im Internet (Follower und Likes). Einsam und leer ist er zurückgeworfen auf die Familie als kleinstes Bindeglied. Existiert sie nicht, ist er völlig auf sich zurückgeworfen.
Brock entwarf daraufhin seinen Wunsch: Die Exemplifizierung des Rationalismus und der Moderne in einer neuen Kirche. Wundermänner der Rationalität erklären die Naturgesetze auf dass der Mensch erkennt, wo Gott sich immer wieder zeigt: Deus siva natura! (Spinoza). Ich verdaue diese Idee und versuche eine Anknüpfung, noch ist völlig unklar, wohin dies alles führt.
“Werter Dr. Brock,
es war wir eine große Ehre und Freude, Sie kennengelernt zu haben! Ich hoffe, Sie sind wohlbehalten aus München zurück.
DEUS SIVA NATURA
Ihr initialer Samen arbeitet in mir und expandiert. Ich habe gestern eine Einführung zu Spinoza erhalten und der pantheistische Gedanken war mir unterbewußt schon immer nah; ich vermute, ich habe Ihre Idee nun langsam begriffen, wenn auch die Details noch vieler Nacharbeit bedürfen. Ich versuche mir nun mehr und mehr die ersehnte Kirche zu visualisieren und in welchem Form sich die Idee realisieren lässt. Mir erscheint es ein wenig so, als wenn die ganze Geschichte der Menschheit sich in dieser Kirche schreiben ließe. Wenn ich die ursprüngliche Tafel des „Wild Table“ sehe, so transformieren wir Wildnis in Zivilisation mit unseren Kulturtechniken – das ist der langsame Aufbruch, wir hören auf wilde Tiere und mordende Affen zu sein, bilden Gruppen und formen die Sprache als Modell. Die Theologie danach, bis sie als Wunder der Rationalität erscheint in ihrer triumphalsten Form, das muß, dass darf und soll Ordnung sein. Stellt man aber wie in der christlichen Messe das Brot und den Leib in neuer Form (als Denkmittel wie Nahrungsmittel) dem Menschen zur Verfügung, so könnte er beides schaffen: Er begegnet sich und Gott geistig wie körperlich – er kann die Ordnung in seiner ganzen Spiritualität erleben bis er letztlich begreift, an welcher Stelle alles eins ist.
So stellt sich eigentlich schon die Frage nach der Liturgie, die ein ziemliches Vergnügen sein könnte. Es muß eine Wunderwelt sein, die sich auch so anfühlt. Tricks und Hokuspokus im Sinne der Erzählung halte ich für erlaubt, um das Wunder der Naturgesetze zu demonstrieren. Von Experimenten über Musik oder molekulare Küche: Von der orgiastischen Seite bis zur augiastischen Erschöpfung, eigentlich alles denkbar, was praktisch möglich ist. Ich glaube dass man nicht umhin kann und auch die Kommunion aus der katholischen Messe braucht – auch wenn das vielleicht irritiert. Von anderen Religionen kann ich da eher wenig Inspriation mitbringen – jüdische Gebete kenne ich gar nicht, bei einem islamischen Gebet ist wenig zu übernehmen – es ist die Regelmäßigkeit der Bewegung und die Unterwerfung wesentlich, aber sie kennt keine Kommunion, wir „bleiben dort auf dem Teppich“.
Um es weiter zu entwerfen wäre es gut zu wissen, welche Experimente Sie schon im Kopfe tragen – ich erinnere mich bspw. an das Doppelspalt- Experiment, man sollte so einige Experimente, die die Beweise einleuchtend und überzeugend darstellen, präsentieren. Ich kenne ein naturwissenschaftliches Museum (Experimenta), die in dieser Hinsicht vielleicht helfen könnten. Ich glaube auch, dass der Kirchenraum sich wie eine Lichtung darzustellen hat. Eine Lichtung im Walde, wo außen im Kreuzgang die Wildnis herrscht und die Eperimente wie Zauberkunststücke präsentiert werden. Und das sollte man ruhig mit Pflanzen tun, nicht nur abstrakt so wie auch die Experimente möglichst fassbar und deutlich sein sollten. Die Lichtgestaltung wäre für eine entsprechende Theatralik auch wichtig und hilfreich. In der Lichtung erfahren wir Gemeinschaft und können im Übergang Vernunft erfahren. Natur und Gott – Gott und wieder Natur, immer wieder über diesen Weg bis die einheitliche Ordnung für alle erkannt wird und nicht mehr als Trennung. Wie darin Dialektik und Trinität seinen Widerhall findet, ist mir noch nicht so wirklich klar.
Wie Sie schon sagten ist geradezu ein „Run“ auf leerstehende bzw. zu entweihende Kirchen entbrannt, ich höre dass es überall Kulturveranstalter gibt, die das liebend gerne machen wollen. Hier ist die Frage, ob man in der Lage ist so etwas wie den Kult auch zu übertragen – wenn man so will „zu skalieren“.Sie sprachen von 10 Terminen, die Frage ist, ob wir das darauf hin planen oder aber schon im Auge haben sollten, dass diese „Kirche“ auch ohne Stifter funktioniert. Denn die Kirche für einige Veranstaltungen zu bekommen und dann wieder abzugeben, dürfte sich als schwierig herausstellen – eher ist man da Bestandteil eines Programms oder man kann das „Weltwunder der Rationalität“ wie ein Teaching/Show transportieren. So ließe es sich zumindest ökonomisch auf tragfähigere Füße stellen, was für die Kirche wohl ein Thema sein dürfte – denn mit dem Unterhalt des Gebäudes sind sicher erhebliche Kosten verbunden. Da bin ich mir noch unsicher, ob sie das auf Ihre Person fokussieren oder ob wir es sozusagen auch auf zukünftige andere Beine stellen sollten.
Ich würde vorschlagen, dass wir uns vielleicht bei Ihnen treffen und das Vorgehen erneut besprechen? Ich bin nun erstmal verreist und bin bis Anfang August in Südtirol im Familienurlaub, danach aber hätte ich jede Möglichkeit nach Wuppertal zu fahren.
Gerne erwarte ich die Antwort
Markus Bußmann
Weltwunder der Rationalität am Beispiele Bazon Brocks”