Eine Maske namens Merkel

ARD/rbb ANGELA MERKEL - SCHICKSALSJAHRE EINER KANZLERIN, am Montag (15.07.24) um 22:30 Uhr im ERSTEN. Eine Frau zwischen Raute und Krise: Angela Merkel, die erste Bundeskanzlerin Deutschlands. 2021 endete die „Ära Merkel“ und mit ihr der Aufstieg von „Kohls Mädchen“ zur „mächtigsten Frau der Welt“. Wer ist die Politikerin? Zum ihrem 70. Geburtstag (17.7.2024) erzählt die Dokumentation von einer Kanzlerin, deren Erbe zweieinhalb Jahre nach ihrem Abschied aus dem Amt in einem neuen Licht erscheint. - Quereinsteigerin Merkel: Die neue Bundesministerin für Frauen und Jugend in ihrem Büro in Bonn, Februar 1991. © rbb/SWR/MDR/Looksfilm/IMAGO/Sven Simon, honorarfrei - Verwendung gemäß der AGB im engen inhaltlichen, redaktionellen Zusammenhang mit genannter rbb-Sendung bei Nennung "Bild: rbb/SWR/MDR/Looksfilm/IMAGO/Sven Simon" (S2+). rbb Presse & Information, Masurenallee 8-14, 14057 Berlin, Tel: 030/97 99 3-12118 oder -12116, pressefoto@rbb-online.de

Die ARD widmet ihr die Doku „Schicksaljahre“: Deutscher Anspruch, reale Wirklichkeit. Eine peinliche Selbsterkenntnis der Deutschen. Mit melodramatischer Musik ein Zeugnis unserer Kleinbürgerlichkeit und wahren Größe.

Unser Schicksal ist jetzt fassbar: Bleierne GroKo-Jahre lang wurde so einiges Notwendiges unter den Teppich gekehrt. Der Wähler will es so, meinte auch Merkel. Zumutungen gegenüber den Bürgern (weniger Rente, mehr Infrastruktur und Bildung?) waren nicht gewollt. Machterhalt ging vor. Vielleicht war Ihre Neigung ausgerechnet zu Wagners Opern doch ein klares Zeichen: Ohne Geschichte und Zukunft, machtberauscht und tumb wie Siegfried, ist das Deutschland in den Köpfen in Wahrheit längst Historie. Als DDR-Physikerin wollte sie einfach stattfinden – wie weit es sie tragen würde, damit hat sie nicht gerechnet.

Die Merkel-Doku zeigt auch, dass der ÖRR dem Rheingold der Macht weiterhin Tribut zollt. Die GroKo wirkt in der Ampel fort, weswegen sich die Deutschen, die Ihr heute am liebsten alles in die Schuhe schieben wollen, beim Friseur und Studium der “Bunten“ fragen: “Wer war der Mensch?”

Dass Ihre Biogpraphie “Freiheit” dazu etwas Verwertbares sagen wird, glaube ich nicht – Autobiographien sind mal Rechtfertigung, mal Propaganda. Bismarck und Churchill wären die Latte. Merkel als Karriere, das imponiert ehrgeizigen Menschen noch heute. Aber die Frau selbst, die Inkarnation kalter preußischer Nüchternheit, die ohne Kamera so feinen Mädchenwitz habe, als ein Gefühl? Hier wird es peinlich. Für die Deutschen mehr als für Merkel.

Merkel bleibt immer Umriss, eine Maske, eine Projektionsfläche. Man sieht, was man sehen will. Öffentlich dann Nichts-sagendes. Die Musik in der Doku soll den Zeitgeist lebendig machen, aber es ist Staffage. Warum eine Generation von Biosocken-Deutschen in ihr wirklich „Mutti“ erkannte, versteht Gen Z nicht mehr: „Sind die denn verrückt?“ Mutti war nicht ihre Idee. Es war eine Projektion der Bürger selbst, die das in ihr sehen wollten. Der Narrativ meinte: der Deutsche, Muttersohn und -Tochter, ist noch nicht ausgezogen. Mutti hat die häusliche Kasse und regelt alles. Sie hält uns Freiheit vom Halse, wir können Fußball spielen.

Quereinsteigerin Merkel: Die neue Bundesministerin für Frauen und Jugend in ihrem Büro in Bonn, Februar 1991.
© rbb/SWR/MDR/Looksfilm/IMAGO/Sven Simon, honorarfrei – Verwendung gemäß der AGB im engen inhaltlichen, redaktionellen Zusammenhang mit genannter rbb-Sendung bei Nennung “Bild: rbb/SWR/MDR/Looksfilm/IMAGO/Sven Simon” (S2+). rbb Presse & Information, Masurenallee 8-14, 14057 Berlin, Tel: 030/97 99 3-12118 oder -12116, pressefoto@rbb-online.de

Erst jetzt ist der Bürger auf sich selbst zurückgeworfen und merkt, verflucht, nichts davon war Wirklichkeit. Krise. Warum haben wir all das unterlassen, die Brücken, die Straßen, buhuhuuu! Der Mann mit der Aktentasche aus Hamburg, der Notar Olaf Scholz, ist der Verwalter von Muttis Erbe. Er gestaltet nichts, er zaubert nichts weg. Er ist auch nicht der Papa, denn der ist entweder tot (Kohl) oder symbolisch “bei den Russen”(Schröder).

Die Deutschen träumen. So behalten sie ihre selbstverschuldete Unmündigkeit: Der Untertan. Aber nicht lange sinnieren, der Notar hat Fußball bestellt. Merkel ist ein Zeichen dafür, wie unser Land ist. Wir dachten, wir sind “etwas Besonderes”. Stimmt nicht, stimmte übrigens nie. Nur wegen dem Wahnsinn des 3. Reichs oder Mercedes-Benz sind wir keine Übermenschen, wir sind nichts Besonderes. Wie kann das sein, denken Sie, wir Deutschen sind doch die Forscher, die großen Schöpfer, die….die Nazis! Ja, das mit dem Schöpfergeist, dass war mal anders: So von 1870-1914 tat sich so einiges bemerkenswertes in Deutschland. Aber was danach kam ist das was blieb: Erst der erste Weltkrieg, das Desaster der Weimarer Republik. Und der der Untergang: Eine mordende Gruppe von Faschisten, besessen von einem Wahnsinn von Blutreinheit und Volkshygiene, die einen mutwilligen Angriffskrieg mit Millionen von Toten vom Zaun brach und 6 Millionen Juden industriell ermordete. Da müßen wir doch großartig sein, oder nicht? Nein, nichts davon taugt für Großartigkeit, auch heute ist eine Mercedes S-Klasse nicht Nachweis des Übermenschen. Es ist Technologie und Kapitalismus und deutsche Ingenieure können keine Software – sie verlieren jeden Nimbus, nur in Deutschland hält sich ein verlogener Nimbus:

Wir sind unermesslich reich! Nein, sind wir nicht. Eher unter ferner liefen.

Wir haben die besten Ingenieure der Welt! Nein, die wohnen im Silicon Valley, hier wird nur der Rest der Autoindustrie abgewickelt. Software baut hier niemand, Kernfusion und KI kann kaum jemand.

Also, was ist das Ergebnis der großen Entdeutschung:

Wir sind einfach nur Deutsche.

Und deutsche Michel, wie es scheint.

Erst, wenn wir das akzeptieren, kann es aufwärts gehen mit diesem Land. Bis dahin wächst der Anspruch auf die Wirklichkeit jeden Tag ins Uferlose.

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