Risotto ai Funghi Porcini (e Ovoli!)

Ich habe einige Tage in Mailand verbracht und mich an Risotto überfressen. Es wäre produktiv, so dachte ich mir, dass ich wenigstens meine Erkenntnisse zum Risotto mal teile und ein paar Erfolgshebel für das perfekte Risotto alla Milanese formuliere. Naja, nicht perfekt vielleicht, aber doch göttlich gut! Wobei es mir vor allem um die Pilze geht, also Risotto ai funghi oder besser noch: Risotto ai Funghi Porcini!


Risotto ai Funghi Porcini: So sieht das Ergebnis unseres Kochexperiments in Mailand aus mit einem klassischen Steinpilzrisotto. Etwas Murray River Salzflocken, etwas Öl und die gerösteten Haselnüsse fanden wir waren der Kick!

In Mailand scheint die Welt in diesen Herbstagen perfekt zu sein. Die Menschen unterhalten sich gerne über schöne Dinge von Design bis Mode. Und sie teilen die Tipps, wo es noch das Besondere, neue Schöne und Gute gibt. Das gleiche findet aber noch intensiver beim Essen statt. Essen ist ein nicht wegzudenkender Teil Mailands und das ist schon interessant, denn noch im 19. Jahrhundert hat niemand über die italienische Küche geredet. Erst seit dem 2. Weltkrieg hat die italienische Küche mit vorher teils unbekannten Zutaten wie Tomaten (!) und auch Fertignudeln einen interstellaren Aufschwung gefeiert. Heute feiert sich Italien für den Slow Food und für Risotto erscheint das besonders angebracht. Denn man muß schon recht konzentriert und ruhig bei der Sache sein, damit das Risotto funktioniert.

Zunächst mal: Wir brauchen dafür kein Rezept, dass finden Sie ja eh überall. Giorgio Locatelli hat in seinem Kochbuch fast 20 Seiten über die Kunst des Risottos geschrieben, soviel Zeit habe ich dann wiederum nicht für diesen Artikel. Die Mengenangaben dürfen deswegen ungefähr sein, weil ich mich auf Sie verlassen kann: Sie haben das im Gefühl, glauben Sie mir!


Hängende Gärten: In Mailand schätzt man gutes Design, seit einigen Jahren gehört etwas Stadtgrün garantiert immer dazu

1.) Die Sache mit dem Risotto-Reis

Die Liste der Zutaten ist heute kurz: Kaufen Sie Risotto. Sie werden i.d.R. nicht viel Auswahl haben.

Ob von Oryza oder Scotti Arborio, Sie freuen sich vermutlich schon wenn Sie überhaupt den richtigen Risotto Reis in der runden Körnung bekommen. Denn mit normalem Paraboiled Reis oder Basmati geht hier gar nichts, das ganze Gericht können Sie so gleich vergessen. Natürlich könnten Sie auch gleich im Piemont die entscheidende Körnung in einem Geheimversteck finden, aber wie da mal eben hinkommen? Ich würde aber nie bezweifeln, dass die Qualität des Gerichts wirklich am Reis liegt. Das ist so wie beim Sushi, wo tatsächlich der ideale Reis auch wichtiger ist als der Fisch für das Geschmackserlebnis. Apropos, der Sushi-Reis ist Risotto nicht unähnlich, aber ob er so funktioniert, habe ich nicht getestet.

Also, machen wir es kurz: Sie kaufen, was Sie bei sich vor Ort halt bekommen können und verraten mir, wer den allerbesten Reis im Internet aus dem Piemont per Express verkauft. Lagern lässt sich Risotto-Reis hervorragend, kaufen Sie also ruhig von Ihrem Reis eine ganze Menge.

Denn Risotto kann man wirklich oft essen, gerade Kinder lieben Risotto mit seiner Konsistenz und dem Parmesan-Glutamat-Aroma. Nur Pilze mögen Kinder nicht immer, dafür keine Garantie. Geht alles genauso wie diese Rezept mit anderem Gemüse, bspw. grünem Spargel, Lauch oder ganz pur mit Zwiebel oder Safran.


Pilze: Eine derartige Qualität von Pilzen wie hier in Mailand auf dem Markt nahe der Station Gerusalemma dürfte in Deutschland eher selten sein. Vorne links Kaiserlinge für nicht günstige 50,-€, Steinpilze lagen bei etwa 30,-€. Theoretisch ist natürlich auch ein banaler Champignon köstlich, aber weiß Gott nicht das Gleiche!

2.) Die Pilze!

Im Herbst sind die Märkte Mailands voll mit Pilzen. Darunter der beste und leckerste Pilz überhaupt: Der Ovoli, auf Deutsch entweder Kaiserling oder “orangefarbener Wulstling”. Er ist dem Geschmack exzellenter Steinpilze deutlich überlegen, dafür kostet er auch das 2-3 fache und ist in Mailand maximal an 2 Wochen im Jahr überhaupt erhältlich. In Deutschland muß man ebenfalls seine Adressen kennen, um den Pilz zu finden. Aber frische Steinpilze, das sollte möglich sein. So groß wie in Mailand wiederum wird schwer, das Putzen geht auch da nicht ganz so leicht von der Hand.

Und nur, falls ich es hier mit Anfängern zu tun habe: Wer Pilze wässert, gehört erschossen! Pilze nehmen die Flüssigkeit auf und werden sofort seifig. Das ist ganz furchtbar und zerstört das Aroma. Sie nehmen also entweder eine Pilzbürste oder aber ein Zewa-Tuch. Der Tipp ist von meiner Frau und ist günstig wie effektiv. Reiben sie allen oberflächlichen Erdschmutz ab und schneiden sie am Fuss die Wurzeln etwas weg. Zärtlich und vorsichtig schneiden Sie die Pilze in dünne Scheiben von Kopf bis Fuß.

Etwa 6-8 Pilze sollten nach rein ästhetischen Gesichtspunkten so geschnitten werden. Der Rest wird einfach gewürfelt, es sollte etwa ⅔ der Gesamtpilzmenge sein. Wieviel Pilze fragen Sie? Na ungefähr 2 Hände voll, ist doch klar! Im Ernst: Sie bestimmen das Verhältnis einfach selbst.

Übrigens essen die Italiener die Pilze am liebsten fast roh. Ein Kaiserling wird idealerweise nicht gebraten, sondern mariniert in Öl und Zitrone. Etwas Pfeffer, Salz und ein paar dünne Scheiben Sellerie und er schmeckt göttlich! Auch bei Steinpilzen wird nicht viel gebraten. Der Italiener mit Verstand nimmt die Scheiben und lässt sie in zerlassener Butter nur maximal 1 Minute lang pro Seite ziehen. Genau das tun sie jetzt vorab: Lassen Sie Butter in Ihrer Lieblingspfanne zerlaufen und bräunen Sie die Pilzscheiben. Nicht die Würfel, nur die Pilzscheiben. Die Pilzwürfel werden roh in den Risotto beim Kochen geworfen und kochen dort gar.

Am Schluss, wenn das Risotto fertig ist, werden die Scheiben einfach draufgelegt und so durch das heiße Risotto wieder erwärmt. Das reicht schon, Sie werden begeistert sein! Wegen Bakterien oder Viren müssen sie sich im Grunde auch bei kurzer Kochzeit gar keine Sorgen machen, denn der Pilz selbst ist praktisch ein Antibiotikum. Ja, was sind Pilze denn auch sonst, wir ignorieren mal den falschen Fliegenpilz in ihrem Garten.


Fonds: Ich arbeite mit Oscar-Produkten und Morcheln, aber sie verfahren nach Ihrem Gusto

3.) Der Fonds!

Die Flüssigkeit ist schon wichtig. Aber unsicher bin ich mir noch darüber, ob man darüber ein Brimborium machen sollte. Die einfache Variante ist einfach eine feine Gemüse- oder Hühnerbrühe zu nehmen. Achten Sie darauf, dass die Brühe nicht zu salzig wird, Risotto bekommt erst am Schluss das Salz.

Die Menge ist einfach: Sie brauchen genau doppelt soviel Flüssigkeit wie Reis. Also wenn Sie 300g Reis abwiegen, werden Ihnen ungefähr 600ml (eingekocht) für den Risotto zum kochen reichen. Etwas mehr zerstört nichts.

Die etwas elaborierte, vielleicht französisch von Bocuse inspirierte Brühe geht anders. Sie peilen auch doppelt soviel Brühe wie Reis als Menge an. Sie reduzieren die Menge etwas beim Kochen, also packen Sie anfänglich ruhig 100ml drauf. Nun komponieren Sie die Brühe aus Hühnerbrühe (etwa hälftig), dann Portwein (¼) und Noilly Prat (¼). Um die pilzigen Aromen zu unterstützen, dürfen Sie jetzt ein paar getrocknete Pilze hinzutun. Bei uns gab es keine guten Steinpilze, also nehme ich Morcheln. Die sind nachher als Variation auf dem Teller toll und haben etwas natürliches Glutamat. Etwas einkochen und probieren. Die Brühe sollte nicht zu salzig sein.

4.) Das Kochen!

Sie haben noch 3-4 Schalotten gewürfelt und dünsten sie in Butter glasig. Kaum wechseln sie die Farbe, kommt der Reis rein. Er wird etwas angebraten am Topfboden. Nach 1 Minute kommt nun der erste Löffel Brühe auf den Reis. Nun müssen Sie aber aufpassen wie Nachbars Lumpi, dass nichts am Topfboden kleben bleibt! Also schön mit dem Löffel alles abkratzen und wieder rühren.

Geben Sie jetzt die Pilzstücke hinzu.

Immer dann, wenn die Flüssigkeit beinah verdampt ist, geben Sie wieder Brühe drüber. Und so weiter. Der ganze Vorgang dauert nicht ewig, vielleicht 10-15 Minuten und etwas Weißwein stürzen Sie beim kochen noch mit in den Magen. Empfehlung wäre hier: Grüner Veltliner oder Riesling in einer VDP oder Smaragd-Qualität bspw. von Roland Chan aus der Wachau oder der altbekannte Loibner.

Bitte füllen Sie das Risotto besser nicht mit Wasser weiter auf, auch Sahne nimmt eher die Brillanz der Pilze. Bleiben Sie puristisch für Steinpilze, sie sind der Star des Gerichts. Reduzieren Sie die Hitze am Ende ganz.

Welche Art von Biss sie haben wollen, ist zwar ihre Sache, aber die Italiener finden Aldente ist perfekt. Den meisten Deutschen ist das zuviel, sie wollen es lieber weicher und das kommt mit ein paar Minuten Verspätung ja von selbst zu Stande.

5.) Mantequillieren!

Ein kompliziertes Wort für eine einfache Sache. Nehmen Sie am Schluss etwa eine halbe Packung Butter und machen Würfel draus. Jetzt geben Sie diese Würfel in das Risotto und beginnen zu rühren. Nun etwa noch ein Glas Wasser hinzugeben, letztlich geht es darum das Risotto cremig und schlotzig zu machen. Erst schön rühren bevor sie Flüssigkeit nachgeben, auch da ist ihr Wunsch das Ziel meiner Träume.

6.) Parmesan und homogenisieren!

Der Parmesan kommt nun hinzu. Etwa 50 Gramm sind gut und die müssen aber vorher fein zerrieben worden sein. Bitte nach Möglichkeit keine Stücke, denn die lösen sich nicht so schnell. Wieder rühren und schauen, dass die Konsistenz für sie passt.

Nun kommt ein ebenfalls nicht unbedeutender Schritt: Nehmen Sie eine große Portion für einen Teller mit dem Suppenlöffel. Wenn die Konsistenz des Rissottos gut ist, können Sie nun den ganzen Teller etwas um die eigene Vertikalachse schwingen. Der Risotto wird durch die Fliehkräfte auf dem Teller glatt bis zum Rand verteilt und ist nicht mehr hoch (max 0,5 cm). Das nimmt etwas von der Hitze aus dem Risotto und verteilt die Aromen.

7.) Last but not least: Arrangieren!

Wenn der Risotto auf dem Teller ist, legen Sie nun die Pilzscheiben auf den Risotto zum erwärmen. Nun können Sie Salzflocken drüber streuen und etwas pfeffern. Etwas feines Olivenöl können Sie auch noch spritzen. Und nun für mich 2 noch wichtige Zutaten:

8.) Thymian!

Nehmen Sie bitte frischen und kräftigen Thymian. Das Aroma passt perfekt zu Pilzen und schiesst ihn in neue Sphären!

9.) Piemonter Haselnuss

Ja, wir nehmen Haselnüsse. Aber nur die aus Piemont. Ich selbst bin allergisch gegen türkische Haselnüsse und weiß auch nicht, warum. Aber die Piemonteser lösen nichts aus. Sie sind deutlich süsser, etwas feuchter und werden vielleicht auch etwas liebevoller behandelt. Die genaue Ursache kenne ich nicht, aber ich weiß, dass nur Piemont für mich funktioniert. Sie können diese einfach roh zerkleiner oder aber in Puderzucker in der Pfanne etwas glasieren. Dann gibt es eine überraschende Note an der Nuss, die keiner erwartet: Feine Süsse, die in der Nuss bei guter Qualität schon vorhanden ist.


Pfifferlinge bei Gianni Batista: Er kocht das Risotto so wie wir mit Steinpilzen, aber würzt recht kräftig im Fond wie im Abschluss. Auch das am Ende: Geschmackssache.

Nun, jetzt freue ich mich, wenn Sie sich freuen – das perfekte Risotto wird Ihnen sicher gelingen. Und doch ist das perfekte Risotto jeden Tag ein bisschen anders.

Bon Appetito aus Milan!


Bosco Verticale: Ob da auch Pilze wachsen, ist mir nicht überliefert


Risotto alla Colonia: Zurück in Köln alles mit lokalen Produkten nachgekocht, die kleinen Steinpilze waren auch großartig. Aber am Ende ist es dann doch immer einen Tick anders als in Mailand….

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